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Premier League ǀ Southampton, Everton und Co. – der Abstiegscheck

7. April 2023 | Spotlight | BY Lukas Heigl

Premier League ǀ Wie wirken sich die vielen Trainerwechsel aus? Spielt die individuelle Qualität überhaupt noch eine Rolle? Das ist der Stand im Abstiegskampf der Premier League.

Seit unserem letzten Bericht hatten die Mannschaften drei bis fünf Spiele. Dennoch bewegte sich fast nichts in der unteren Tabellenhälfte der Premier League. Im Gegenteil: Der Abstand zwischen Platz 11 und Platz 18 schrumpfte auf drei Punkte. Und so sind weiterhin neun Mannschaften im Abstiegskampf.

Premier League – Niemand ist konstant

West Ham United

Die Hammers schienen sich ganz langsam aus der gefährlichen Zone zu befreien. Nachdem sie bereits zum letzten Update als eine der besten Mannschaften dastanden, galt das eigentlich auch für die vergangenen Wochen. Die Londoner sammelten in den ersten drei Spielen vier Punkte. Besonders ob des Spielplans durchaus eine gute Quote. Der Sieg am vergangenen Wochenende zu Hause gegen Southampton (1:0) war essentiell. Spielerisch macht die Mannschaft von David Moyes (59) dabei kaum Schritte nach vorne, der Erfolg der letzten Wochen beruht vor allem auf der Rückkehr zuvor verletzter Stammspieler.



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Besonders in der Innenverteidigung ist das wichtig. Hier kann man nun endlich auf die vor der Saison als Stamm-Duo eingeplanten Nayef Aguerd (26) und Kurt Zouma (28) setzen. Das sorgt für Stabilität. Am Mittwoch folgte nun allerdings die große Ernüchterung. Zu Hause gegen Newcastle United bekamen die Hammers kaum einen Fuß auf dem Boden, sabotierten sich immer wieder selbst und verloren schlussendlich mit 1:5. Fast allen Toren gingen dabei krasse individuelle Fehler voraus.

Nach dem 0:4 gegen Brighton war es bereits die zweite hohe Niederlage in den letzten Wochen. Und so hängt man trotz hoher individueller Qualität weiter im Abstiegskampf. Für Moyes dürfte es nun endgültig eng werden, den Bruch mit den Fans gab es bereits in Brighton, als diese sich mit Gesängen klar gegen den Trainer positionierten. Diese Haltung dürfte nun noch stärker sein.

Leeds United

Seit Javi Gracia (52) Ende Februar in Leeds das Amt des Cheftrainers übernommen hat, läuft es bei den Whites. Unter dem Spanier gewann man drei der sechs Spiele und holte starke zehn Punkte. Das geht vor allem einher mit einer bei zehn Gegentoren auf den ersten Blick nicht vermuteten defensiven Stabilisierung. Doch bei der Zahl der Gegentore muss man bedenken, dass Leeds mit Arsenal und Brighton gegen zwei der offensiv stärksten Teams der Liga spielte. Gegen die beiden kassierte man sechs Gegentore, in den übrigen vier Spielen waren es entsprechend nur vier.

Gracia hat zudem einen Trick angewendet, die Mannschaft und auch die Fans schnell hinter sich zu bringen. Er hat Aufstiegshelden, die unter seinem Vorgänger Jesse Marsch (49) wenig Beachtung fanden, zurück ins Rampenlicht geholt. Jack Harrison (26) war zwar durchaus Teil der Rotation, nun ist der Engländer aber wieder absoluter Stammspieler, und zahlt es mit Leistung zurück. Unter Gracia sammelte Harrison genauso viele Torbeteiligungen wie in den 21 Spielen zuvor, jeweils fünf.

Noch extremer ist es bei Luke Ayling (31). Der Außenverteidiger, ob seiner intensiven Spielweise von den Fans geliebt, war unter Marsch lange aussortiert. Nach der WM-Pause brachte der Amerikaner Ayling wieder öfter. Unter Gracia ist er nun wieder Stammspieler, Neuzugang Rasmus Kristensen (25) sieht keinen Stich mehr. Und es funktioniert.

Bringt der Trainerwechsel etwas?

Leicester City

Nun ist es also passiert, auch die Foxes haben ihren Trainer gewechselt. Nach sieben Ligaspielen ohne Sieg, nur einem Punkt aus diesen Spielen und dem Abrutschen auf Platz 19 musste Brendan Rodgers (50) nach etwas mehr als vier Jahren seinen Hut nehmen. Der Grund, warum der Nordire trotz für Leicester unterirdischer Ergebnisse so lange weiterarbeiten durfte, lag wohl einzig an seinen Erfolgen bei Leicester in den letzten Jahren. Immerhin wurden die Foxes zweimal Fünfter, verpassten jeweils nur knapp die Qualifikation für die Champions League und gewannen 2021 den FA-Cup.

Brendan Rodgers ist nicht länger Trainer beim Premier League Team Leicester City

(Photo by IAN KINGTON/AFP via Getty Images)

Bis ein neuer Trainer gefunden ist, übernimmt Mike Stowell (57) den Job. Der Engländer ist seit 2007 als Torwarttrainer im Verein angestellt und nun bereits das dritte Mal nach 2011 und 2019 als Interimstrainer tätig. Es wird sehr spannend sein zu sehen, wer den Job am Ende bekommen wird. Der Kader schreit nach internationalem Geschäft, daher wird Leicester zunächst in einem (für einen Abstiegskandidaten eigentlich zu) hohem Regal nach Trainern suchen. Entsprechend könnte sich die Suche etwas hinziehen. Da langfristig gute Lösungen wie Graham Potter (47), der eine sofortige Anstellung bereits abgelehnt haben soll, abwarten werden, ob sich die Foxes retten können, könnte es auf ein kurzfristiges Engagement hinauslaufen für einen „Feuerwehrmann“.

Crystal Palace

Auch die Eagles haben notgedrungen einen neuen Trainer. Der Absturz im Jahr 2023 mit keinem einzigen Sieg in elf Spielen war einfach zu extrem, um guten Gewissens an Patrick Viera (46) festhalten zu können. Im Gegensatz zu Leicester hat Palace allerdings bereits einen Nachfolger gefunden. Und dieser ist ein alter Bekannter. Roy Hodgson (75) ist zum zweiten Mal aus der Rente zurück. Eigentlich hatte er sich nach seiner ersten Zeit bei den Eagles 2021 zur Ruhe setzen wollen. Doch der 75-Jährige kann den Fußball einfach nicht loslassen. Nachdem er Watford letzte Saison nicht vor dem Abstieg retten konnte, versucht er nun also sein Glück bei dem Verein, der ihn 1965 zum Profi machte.

Wer nun denkt, dass Hodgson das Team wieder zurück zum Steinzeitfußball mit Kick and Rush führt, musste sich in der ersten Partie des neuen Trainers verwundert die Augen reiben. Die Eagles beherrschten Leicester City in allen Bereichen des Spiels, hatten ein schier unglaubliches Schussverhältnis von 31:3 und ein Eckenverhältnis von 10:1. Auch wenn der 2:1-Siegtreffer erst in der Nachspielzeit fiel, war der Erfolg mehr als verdient. Spielt Palace, das aktuell drei Punkte Vorsprung auf die Abstiegszone hat, so weiter, werden sie nicht mehr lange in den Abstiegskampf-Updates auftauchen.

Wolverhampton Wanderers

Zunächst sah es so aus, als könnten die Wolves auch im März die positive Welle, die den Verein seit der Ankunft von Julen Lopetegui (56) als neuer Trainer erreicht hatte, weiter reiten. Gegen Tottenham gab es einen nicht unverdienten 1:0 Erfolg, die Mannschaft schien sich damit mehr oder weniger aus dem Abstiegskampf verabschiedet zu haben.

Doch zu früh gefreut: In den letzten drei Spielen kam nur noch ein Punkt dazu, die Wolves stecken wieder mittendrin im Fight um den Klassenerhalt. Besonders ärgerlich ist, dass es in dieser schlechten Phase gegen die direkten Konkurrenten Leeds (2:4) und Nottingham (1:1) ging. Gegen Leeds lief die Partie unglaublich bitter ab. Man war insgesamt die bessere Mannschaft (xG 2,76:1,65), lag aber dennoch nach einer Stunde mit 0:3 zurück.

Dann schwang sich das Team mit zwei Toren in kurzer Zeit auf, ein großes Comeback zu schaffen. Dieses Vorhaben wurde durch eine rote Karte zehn Minuten vor dem Ende jedoch jäh gestoppt. Gegen Nottingham hingegen war Wolverhampton trotz 77 Prozent Ballbesitz die schwächere Mannschaft und hatte Glück, dank eines späten Ausgleichs einen Punkt mitzunehmen. Und so muss man hoffen, dass es trotz schweren Restprogramms am Ende reicht.

Nottingham Forest

Die Tricky Trees sind endgültig zurück im Abstiegskampf. In den fünf Spiele seit dem letzten Update hat Nottingham eine der schlechtesten Ausbeuten. Nachdem es bereits zuvor nicht wirklich lief, stürzte die Mannschaft von Steve Cooper (43) nun komplett ab und holte nur zwei magere Punkte. Das liegt vor allem an einem Spieler: Keylor Navas (36). Nachdem er zu Beginn seiner Zeit in Nottingham mit herausragenden Leistungen einige Punkte festhalten konnte, befindet sich der Winterneuzugang aktuell in einer schwierigeren Phase.

Nottingham kassiert gegen Newcastle ein Gegentor in der Premier League

(Photo by Laurence Griffiths/Getty Images)

Bei den „Post Shots xG against“, der wohl aussagekräftigsten Statistik für Torhüter-Leistungen liegt der Costa-Ricaner inzwischen bei -3,3. Das heißt, er kassierte drei Tore mehr, als bei der Qualität der gegnerischen Abschlüsse eigentlich entstehen hätten sollen. Nach dem herausragenden Start eine besorgniserregende Entwicklung. Vor allem wenn man bedenkt, dass die Alternative Dean Henderson (26) mit -4,1 einen ebenso schlechten Wert aufweist, man also auch den Keeper nicht wechseln kann.

Und so muss Nottingham hoffen, dass sich Navas zeitnah wieder fängt und an seine Leistungen aus den ersten Spielen anknüpfen kann. Ansonsten wird es trotz ordentlicher Offensive (sechs Tore in den letzten fünf Spielen) und einem herausragend aufgelegten Brennan Johnson (21, drei Tore in fünf Spielen) schwer mit dem Klassenerhalt. Und auch Cooper wird, sollte sich nicht zeitnah etwas ändern, Probleme bekommen. Da hilft auch das unlängst veröffentliche Statement von Eigentümer Evangelos Marinakis (55) nichts.

Everton FC

Bei den Toffees läuft es weiterhin sehr gut. Die Mannschaft aus dem blauen Teil Liverpools verlor am Tag des letzten Updates noch gegen Tabellenführer Arsenal (0:4), seither ist man allerdings vier Spiele ungeschlagen. Daraus resultierten zwar nur sechs Punkte, aber wenn man sich die Gegner ansieht, ist auch das durchaus beachtlich. Die letzten drei Partien spielte Everton gegen Brentford (1:0), Chelsea (2:2) und Tottenham (1:1), also allesamt Teams, die um die europäischen Plätze mitspielen.

War man in der Anfangszeit von Neu-Trainer Sean Dyche (51) noch vor allem auf eine stabile Defensive aus, agiert Everton inzwischen auch mehr und mehr nach vorne. In allen vier Spielen war man auf Augenhöhe mit dem Gegner und verdiente sich seine Punkte auch offensiv. Dazu sind Standardsituationen eine echte Waffe. Die Toffees sind zusammenfassend ein richtig unangenehm zu bespielendes Team geworden. Ein größeres Lob kann es für die Arbeit von Dyche eigentlich gar nicht geben. Der Klassenerhalt scheint also absolut realistisch zu sein.

AFC Bournemouth

Die Cherries sind nicht tot zu kriegen. Jedes Mal, wenn man denkt, jetzt würden sie endgültig abfallen, holen sie doch wieder unerwartet Punkte und bleiben am rettenden Ufer dran. So auch im März, als man gleich zweimal gegen Europapokalanwärter gewinnen konnte. Zunächst holte man einen von vielen für unmöglich gehaltenen 1:0-Sieg gegen Liverpool, um dann drei Wochen später gegen Fulham nach Rückstand mit 2:1 zu gewinnen.

Und so kann Bournemouth trotz eines zuletzt extrem schweren Spielplans (die letzten sechs Spiele waren allesamt gegen Teams aus der oberen Tabellenhälfte) auf einen guten März zurückblicken. Die Mannschaft steht zwar auf einem Abstiegsplatz, ist allerdings punktgleich mit gleich drei weiteren Teams. Dabei entpuppt sich besonders die Heimstärke im Vitality Stadium, dem mit 11.329 Plätzen mit Abstand kleinsten Stadion der Liga, als starkes Pfund. Denn genau hier holte man die beiden Siege.

Bournemouth jubelt unerwartet gegen Liverpool

(Photo by Luke Walker/Getty Images)

Im letzten Spiel gegen Brighton (0:2) gab dann auch Ilya Zabarnyi (20), der teuerste Neuzugang des Winters, nach langer Verletzung endlich sein Debüt für die Cherries. Kann sich der junge Ukrainer, immerhin 24-facher Nationalspieler seines Landes, gut in die Mannschaft einfügen, hat Bournemouth einen weiteren Trumpf im Kampf um den Klassenerhalt, den vor der Saison wohl niemand wirklich für möglich gehalten hätte.

Southampton FC

Auch die zweite Mannschaft von der Südküste Englands, die sich im Abstiegskampf befindet, muss jede Woche darum kämpfen, Anschluss an die Nichtabstiegsplätze zu halten. Das gelang mit fünf Punkten aus vier Spielen einigermaßen, der Abstand auf das rettende Ufer beträgt dennoch bereits vier Punkte. Nach dem lebensnotwendigen 1:0 gegen Leicester gab es zuletzt vier Spiele ohne Sieg und nur zwei Punkte. Auch wenn die Gegner in diesem Zeitraum stark waren, ist das auf Dauer zu wenig für die Saints.

Vor allem die Offensive stellt sich als ganz großes Problem dar. Insgesamt hat die Mannschaft nur 23 Tore geschossen, zusammen mit Wolverhampton und Everton ist das der niedrigste Wert der Liga. Das wurde auch unter Neu-Trainer Ruben Selles (39) und mit einigen Investitionen im Winter nicht besser. Rechnet man das wilde 3:3 gegen Tottenham heraus, hat Southampton in den letzten acht Spielen nur drei Treffer erzielt.

Dass diese drei Tore immerhin für sieben Punkte gereicht haben, liegt an der durchaus ansprechenden Defensive der Mannschaft. Im selben Zeitraum kassierte man nämlich auch nur neun Gegentore. Hauptverantwortlich hierfür ist die Rückkehr von Jan Bednarek (26). Von Ex-Trainer Ralph Hasenhüttl (55) im Sommer aussortiert und zu Aston Villa verliehen, kam der Pole im Winter vorzeitig zurück und etablierte sich seither als Stammspieler und Abwehrchef. Das alleine wird allerdings nicht für den Klassenerhalt reichen, die Saints müssen es irgendwie schaffen, offensiv Durchschlagskraft zu entwickeln.

(Photo by Warren Little/Getty Images)

Lukas Heigl

Liebhaber des britischen Fußballs: Von Brighton über Reading und Wimbledon bis nach Inverness. Ist mehr für Spiele der dritten englischen Liga als für den Classico zu begeistern. Durch das Kommentatoren-Duo Galler/Menuge auch am französischen Fußball interessiert


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