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Bayern-Kaderserie | Die Torhüterposition: Heute schon an morgen denken

17. Februar 2024 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Der FC Bayern München verlor kürzlich mit 0:3 im Spitzenspiel gegen Bayer 04 Leverkusen. Es droht das Ende einer in Deutschland unvergleichlichen Serie an aufeinanderfolgenden Meistertiteln. Doch nicht nur das. Die aktuelle Situation beim Rekordmeister macht den Verantwortlichen noch einmal mit Nachdruck bewusst, dass es einer umfassenden Analyse aller Ebenen im Klub bedarf. Und dazu gehört auch der Kader. 

FC Bayern: Ein elementarer Sommer steht bevor

Gründe, die dazu führten, dass es dem Kader aktuell an Homogenität, aber auch einer ganz klaren, stringenten Ausrichtung fehlt, gibt es reichlich. In den letzten Jahren wurden einige Fehler gemacht, die aufeinander aufbauten. Das führte dazu, dass es aktuell nahezu in jedem Mannschaftsteil Nachholbedarf gibt. Sei es bei der aktuell vorhandenen Qualität, der Ausrichtung für die kommenden Jahre oder gar beide Komponenten kombiniert. Vieles, wenn nicht gar alles, hängt miteinander zusammen. ,Die Entscheidung, ob ein Spieler seinen Vertrag verlängert oder nicht, hat Auswirkungen auf die Planung. Deswegen müssen die Verantwortlichen sehr viele Elemente gleichzeitig im Blick haben und verschiedene Szenarien entwerfen.

 



Mehrere Anpassungen sind nötig. Deswegen kann eine Bestandsaufnahme des Kaders mit möglichen Lösungsvorschlägen auch nicht in einem Text abgespeist werden. Vielmehr ist ein Fünfteiler notwendig, um alles auf den Punkt zu bringen, was beim FC Bayern in den kommenden Wochen und Monaten zu beachten ist. Und das nach grundsätzlichen Elementen wie der Frage, was Joshua Kimmich benötigt, um beim Rekordmeister wieder an alte Tage anzuknüpfen oder warum die Planungen in der gesamten Defensive maßgeblich von Alphonso Davies und dessen Entscheidung im Sommer abhängig sein werden.

Der erste Teil dieser Serie beschäftigte sich mit der Ausgangslage. Warum ist ein Umbruch überhaupt notwendig? Und wie kam es zur aktuellen Situation beim Serienmeister aus München? Jetzt soll es im zweiten Teil zunächst um die Torhüterposition gehen.

Ein Torhüter als sicherer Rückhalt

Ein guter Torhüter ist für eine Mannschaft, die den Anspruch hat, Titel zu gewinnen, unabdingbar. Mit einem Schlussmann, auf den man sich verlassen kann, steht und fällt alles. Wenige Fehler sollte er machen, diese im Idealfall auf ein absolutes Minimum reduzieren. Noch dazu ist es ideal, wenn ein Torhüter von seinem Spielstil her zur Mannschaft passt. Ein spielstarker Torhüter ist umso besser in einer Mannschaft aufgehoben, die viel Wert auf einen guten Aufbau legt, dominant spielt, sich flach aus der Abwehr befreit. Somit dient er als ein zusätzlicher Aufbauspieler, der dem Team die Möglichkeit gibt, unter Druck eine Option mehr zu haben und zu wissen, dass auch der Torhüter Lösungen finden kann.

Beispiele von Torhütern, die ideal zur Restmannschaft passen, gibt es auf höchstem Niveau einige. Alisson vom FC Liverpool besticht beispielsweise durch punktgenaue lange Bälle und Abwürfe, die schnelle Gegenangriffe einleiten. Manchester City richtete sogar den zweiten Torhüter, Stefan Ortega, nach den Bedürfnissen der Mannschaft aus. Was ein kluger Schachzug ist, denn fehlt die Stammbesetzung einmal länger, muss dieser Ersatztorhüter jedes Spiel absolvieren.

Die Torhüterposition im Fußball ist eine ganz eigene. Eine große Fluktuation gibt es hier nicht. Es ist selten der Fall, dass große Torhüter vier, fünf oder mehr Stationen in ihrer Kariere durchlaufen. Meistens ist es so: Hat ein Topteam einen sicheren Rückhalt gefunden, der die unangefochtene Nummer eins ist, dann bleibt er das auch für eine Weile. Das heißt aber nicht, dass im Hintergrund nicht frühzeitig daran gearbeitet werden muss, mögliche Lösungen für die Zukunft zu finden und diese schon früh in den Klub einzubinden.

FC Bayern: Neuer im Tor – aber wie lange noch?

Auch der FC Bayern hat eine Nummer eins, die schon seit etlichen Jahren im Tor steht. Mehr als zehn sind es mittlerweile, ein Ende ist aktuell noch nicht wirklich in Sicht. Manuel Neuer ist jemand, der nicht nur extrem gut Bälle parieren kann, sondern das Torhüterspiel in einigen Facetten revolutioniert hat. Als Libero hinter der letzten Kette agierte er oft vorausschauend, kam nicht selten weit aus seinem Tor heraus, scheute weder das Risiko noch den flachen, riskanten Pass oder gar das Dribbling gegen einen Offensivakteur.

Neuer Bayern

(Photo by ALBERTO PIZZOLI/AFP via Getty Images)

Doch die Zeit eines jeden Torhüters endet mal, auch wenn diese häufig noch ein, zwei Jahre länger auf hohem Niveau spielen können als eine Vielzahl der Feldspieler. Dem FC Bayern wurde das bei Neuer in den letzten Jahren gleich mehrfach bewusst, denn der mittlerweile 37-Jährige zog sich schon mehrere, teils schwere Unterschenkelverletzungen zu. Die letzte und gleichzeitig auch komplizierteste nach der WM 2022, als er sich beim Skitouren eine Fraktur zuzog, die ihn für weite Teile des Jahres 2023 außer Gefecht setzte.

Dass Neuer wieder im Tor des FC Bayern steht, ist vor allem der intensiven Arbeit der Mediziner, Physiotherapeuten, aber auch ihm selbst zu verdanken, der ein klares Ziel vor Augen hatte und viel dafür investiert hat. Gleichermaßen muss der Torhüter auch auf seinen Körper hören, sich mehr Zeit nehmen, um zu regenerieren, auch mal Trainingspausen einlegen. Seine Leistungen geben das her, er ist die unangefochtene Nummer eins, lässt sich nahezu nichts zu Schulden kommen. Die Bewegungen auf der Linie sind noch immer gut, die Einschätzung von Gefahrenpotenzial bei langen Bällen stimmig. Im Aufbau mag vielleicht der ein oder andere ungenaue Pass mehr dabei sein, das ist aber Meckerei auf hohem Niveau.

Nur: Besser wird Neuer aller Voraussicht nach nicht mehr, eher tritt das Gegenteil ein. Und jeder im Verein weiß, dass die nächste schwerere Verletzung das Ende der Karriere bedeuten könnte. Ohnehin läuft der Vertrag nur noch ein weiteres Jahr, ob es dann auch im Falle bester Gesundheit weitergeht, steht ebenso in den Sternen.

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Bayern-Tor der Zukunft: Die Planungen müssen jetzt beginnen

Jeder im Klub weiß also: Der Tag X wird kommen. Der Tag, an dem Manuel Neuer seine Fußballschuhe selbstentschieden oder gezwungenermaßen an den Nagel hängt oder hängen muss. Darauf muss sich der Klub vorbereiten, auch das in der kommenden Transferperiode. Sven Ulreich ist der Backup, Daniel Peretz ist ein vielversprechender junger Torhüter, aber keiner, der potenziell binnen weniger Monate reif für einen Stammplatz ist. Alexander Nübel, der aktuell an den VfB Stuttgart ausgeliehen ist, wird eher mit einem Wechsel in Verbindung gebracht. Nach vielen Leihen und teilweise auch Unstimmigkeiten scheint das Tischtuch hier zwar nicht zerschnitten, aber zumindest rissig zu sein.

Doch wie sollte der Rekordmeister planen? Zwei Modelle gibt es, wobei eines ein offensichtliches ist. Ein Toptorhüter könnte in dem Sommer, in dem Neuer abtritt, verpflichtet werden. Stammtorhüter von Teams wie dem FC Barcelona, Manchester City, Liverpool oder Real Madrid zu verpflichten, wird nicht möglich sein, so realistisch muss man bleiben. Eine Kategorie darunter gibt es aber gleich mehrere, spannende Kandidaten. Da wäre ein Diogo Costa, der sich beim FC Porto formidabel entwickelt hat, eine Ausstiegsklausel besitzt und vor allem im technischen Bereich einiges mitbringt.

Bayern Neuer

(Photo by Octavio Passos/Getty Images)

Auch Mike Maignan, aktuell bei Milan im Tor, ist ein Name, der sich aufdrängt. Auch er wird teuer, keine Frage, aber einen der besten Torhüter aller Zeiten zu ersetzen und dabei gleichzeitig zu sparen, ist schlichtweg utopisch. Die logischste Option aus der Bundesliga wäre Gregor Kobel vom BVB, der konstant auf einem hohen Niveau spielt. Bis 2025, sollte der Idealfall eintreten, kann sich noch einiges tun, auch ein Georgiy Mamardashvilli (FC Valencia) kann wieder in den Fokus des Klubs rücken, auch die Entwicklung von Lucas Chevalier (OSC Lille) sollte man im Blick haben.

Ein anderes Modell wäre es, zeitnah einen Torhüter zu verpflichten, der dann noch weiterverliehen wird oder bei seinem jetzigen Klub bleibt. So könnte ein junger Torhüter aufgebaut werden, Bayern hätte aber kein Risiko, ein Wettbieten zu verlieren. Allerdings ist nie garantiert, dass ein junger Keeper bei einem anderen Klub spielt, hat ein Torwart mal den Stammplatz verloren, sitzt er immer draußen. Zudem besteht auch die Gefahr, dass die Entwicklung nicht so verläuft, wie alle Seiten sich das vorstellen.

Es wird interessant zu sehen sein, wie der FC Bayern diese Baustelle, die sich aktuell noch nicht wie eine sich aufdrängende anfühlt, angeht. Und vor allem wann. Zu sehr im Hinterkopf verschwinden darf die Torhüterposition trotz andere Baustellen aber nicht, denn es gibt in der aktuellen Situation wenig, das so dringend zu vermeiden ist, wie unzureichend vorbereitet zu sein. 

(Photo by Joern Pollex/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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