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Werder Bremen: Ausrechenbar und anfällig – wo sind die Problemstellen?

7. Oktober 2023 | Spotlight | BY Jannek Ringen

Nach sechs Spieltagen in der Bundesliga haben sowohl die Verantwortlichen als auch die Fans des SV Werder Bremen zahlreiche Sorgenfalten auf der Stirn. Gegen Darmstadt lieferte die Mannschaft erneut eine schwache Leistung ab, sodass man sich in dieser Saison einige Sorgen um das letzte verbleibende Nordlicht in der Bundesliga machen muss.

Werder verliert gegen beide Aufsteiger – Fehlstart an der Weser

Am vergangenen Sonntag reiste der SV Werder Bremen zum noch sieglosen Aufsteiger SV Darmstadt 98. Dabei sollte nach dem 2:1-Erfolg im Heimspiel über den 1. FC Köln der zweite Sieg in Folge eingefahren werden, damit die Distanz zu den Abstiegsplätzen ausgebaut werden kann. Nach 62 Spielminuten lag man am Böllenfalltor mit 0:4 hinten und musste sich am Ende 2:4 geschlagen geben. Es war das zweite Mal binnen 14 Tagen, dass sich die Grün-Weißen mit vier Gegentreffern bei einem Aufsteiger abschießen ließen. Mit sechs Punkten nach sechs Spielen müssen Ole Werner und sein Team nach unten blicken. Die Bremer stehen vor einer ganz schwierigen Saison.



Unter der Woche war immer wieder die Jahrestabelle von Transfermarkt.de zu sehen, welche die Situation der Bremer noch einmal dramatisierte. In 25 Spielen im Jahr 2023 holten die Hanseaten nur sechs Siege und gingen in Summe 16-mal als Verlierer vom Platz. Dabei beschreiben 21 Punkte aus 25 Spielen die sportliche Lage von Werder im Jahr 2023 sehr gut. Kein Team, das im kompletten Jahr Bundesliga spielte, schneidet hierbei schlechter ab.

In Bremen sollten spätestens seit dem Debakel vom Sonntag alle Alarmglocken schrillen, denn angesichts des relativ leichten Startprogramms und der schwierigen kommenden Aufgaben (Hoffenheim, Dortmund, Union, Wolfsburg) lässt sich durchaus von einem Fehlstart sprechen.

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Defensives Chaos: Werder kassiert erneut vier Gegentreffer gegen Aufsteiger

Die große Schwachstelle ist die Defensive der Bremer. In den sechs gespielten Partien in der Bundesliga kassierte die Abwehr um Kapitän Marco Friedl bereits 14 Gegentreffer. Hinzu kommen die drei Gegentore beim Pokalaus bei Drittligist Viktoria Köln. Doch dieses Phänomen ist an der Weser kein neues. Während sich die Spiele der Bremer in der Offensive durchaus sehen lassen können, gibt die Defensive eher ein mageres Bild ab. Bereits in der vergangenen Saison kassierten die Grün-Weißen zwischen Spieltag 23 und 32 in jeder Partie mindestens zwei Gegentreffer (!), was es enorm schwierig macht, Spiele zu gewinnen. Dies bemängelten insbesondere die treffsicheren Angreifer Niclas Füllkrug und zuletzt auch Marvin Ducksch.

Wirft man einen genauen Blick auf das Defensivverhalten der Bremer, dann fallen einem gleich mehrere Fehlerquellen auf. Da wäre zum einen Mitchell Weiser, der für Werder Bremen ohne Wenn und Aber eine absolute Bereicherung ist. Durch seine Qualitäten in der Offensive leitet er immer wieder Tore ein und sorgt für besondere Momente. Allerdings geht sein ausgeprägter Offensivdrang auf Kosten der Defensive. Unkalkulierbare Ballverluste und seine enorm hohe Positionierung sorgen dafür, dass Amos Pieper oftmals allein gelassen wird. Dies erkannte am Sonntag auch der SV Darmstadt und probierte es immer wieder mit langen Schlägen auf die rechte Abwehrseite.

Die Abwehr von Werder Bremen ist in dieser Saison desolat.

(Photo by Selim Sudheimer/Getty Images)

Des Weiteren fühlt es sich so an, als wäre die Dreierkette nicht aufeinander abgestimmt. Friedl, Pieper, Niklas Stark und Milos Veljkovic sind die nominellen Innenverteidiger und drei dieser vier Spieler stehen in so gut wie jeder Partie in der Startelf. Bereits beim Treffer zum 0:1 gegen den FC Bayern im Eröffnungsspiel machte sich die fehlende Abstimmung bemerkbar. Während Friedl und Veljkovic herausrückten, verpasste Pieper diesen Moment und stand zehn Meter hinter seinen beiden Kollegen, sodass Kane ganz einfach Sané in Richtung Pavlenka schicken konnte. Beim 0:1 in Darmstadt schoben alle drei Innenverteidiger so weit auf die rechte Seite, dass Olivier Deman komplett alleingelassen wurde.

Durch das schwache Verteidigen im Kollektiv, die schlechte Abstimmung und die Unwucht in der Abwehr ist Werder Bremen extrem anfällig für Gegentreffer. Nicht umsonst schenkten beide Aufsteiger den Bremern vier Treffer ein.

Ole Werner und seine Prinzipien: Werden Loyalität und Systemtreue zum Problem?

Selbst im sonst so ruhigen Bremen hinterfragen die ersten bereits Aufstiegstrainer Ole Werner. Ohne Zweifel ist der ehemalige Kieler ein wichtiger Baustein dafür, dass die Hansestadt wieder auf der Karte der Bundesliga zu sehen ist, jedoch bietet der jüngste Trainer aus dem deutschen Oberhaus mittlerweile auch etwas Angriffsfläche. Dabei handelt es sich nicht nur um Personalentscheidungen, sondern auch um die Frage nach dem System.

Seitdem Werner das Traineramt an der Weser übernommen hat, läuft die Mannschaft konsequent und ohne Ausnahmen im 3-5-2 auf. Dies hat auch etliche Spiele funktioniert, man erinnere sich doch nur an die furiose Aufholjagd zum Aufstieg oder die erfolgreiche Rückkehr in die Bundesliga im Spätsommer 2022. Doch seit diesem Jahr läuft es nicht mehr und der Übungsleiter setzt weiterhin auf das gleiche System. Dazu muss man auch erwähnen, dass sich aufgrund des Spielermaterials ein anderes Spielsystem nur schwierig umsetzen lässt, allerdings testete er in der Vorbereitung häufig ein 3-4-3. Gab es dies bereits in der Bundesliga zu sehen? Fehlanzeige.

Hält Ole Werner bei Werder Bremen zu sehr an seinen Prinzipien fest?

(Photo by David Hecker/Getty Images)

Ähnlich loyal wie zu seinem System ist Werner auch zu seinen Spielern. Besonders die Personalien Anthony Jung und Christian Groß sind in Fankreisen häufig diskutierte Namen. Insbesondere Letzterer zeigte in Darmstadt erneut, dass ihm oftmals das Tempo und die technische Klasse für die Bundesliga fehlt. Die beiden waren auch die Gründe, warum die Neuzugänge Senne Lynen und Olivier Deman zunächst auf der Bank Platz nehmen mussten. Über Lynen hieß es vor dem zweiten Spieltag beim SC Freiburg, dass die Partie für ihn “zu kompliziert” gewesen sei. Mittlerweile sind die beiden aus der Startaufstellung von Werder nicht mehr wegzudenken.

Zudem fällt auf, dass Werner regelmäßig erst spät in die Spiele eingreift. Ausnahme waren hier natürlich die katastrophalen Auftritte gegen Heidenheim und Darmstadt, als er bereits zur Pause wechseln musste. Nick Woltemade und Justin Njinmah, die in dieser Saison nach ihren Einwechslungen gute Leistungen zeigten, wurden noch gar nicht für die Startelf berücksichtigt. Zwar hat Werner sich im Verein vollkommen zurecht einen Kredit erarbeitet, jedoch scheint dieser aufgrund der schwachen Jahresbilanz und fragwürdigen Entscheidungen immer weiter zu schmelzen.

Wie geht es weiter? Abstiegskampf bis zum Ende droht

Doch wie soll es weitergehen für Werder? Klar sieht die aktuelle Lage in der Tabelle noch in Ordnung aus, jedoch ist die Punkteausbeute angesichts des Auftaktprogramms mager ausgefallen, weshalb von einem Fehlstart gesprochen werden kann. Trainer Werner muss insbesondere in der Defensive ansetzen, denn gelingt es ihm diese in den Griff zu bekommen, dann steht einer sorgenfreien Saison nichts im Wege, da sich in der Offensive gute Ansätze erkennen lassen.

Da es höchstwahrscheinlich dauern wird, bis der Trainer diese Fehler abgestellt hat, dürfen sich die Fans sich aller Voraussicht nach auf eine Saison im Abstiegskampf einstellen. Die nächsten Gegner haben es in sich. Doch bevor es für Werder in der Tabelle eng wird, wird es erst für Trainer Ole Werner eng.

(Photo by Selim Sudheimer/Getty Images)

Jannek Ringen

Sozialisiert durch die Raute von Thomas Schaaf, gebrochen durch den Abstieg unter Florian Kohfeldt. Fußball in Deutschland ist sein Fachgebiet, aber immer mit einem Blick in England und Italien.


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