Champions League | Wundertüten-Gruppe E mit Atlético, Lazio, Feyenoord und Celtic
15. September 2023 | Spotlight | BY David Schöngarth
Atlético Madrid, Feyenoord Rotterdam, Lazio Rom und Celtic Glasgow bilden in der bevorstehenden Spielzeit der Champions League die durchaus offene und unvorhersehbare Gruppe E. Schon am 19. September stehen die ersten Duelle an. Höchste Zeit, die Teams genauer unter die Lupe zu nehmen.
Champions League: Der Spielplan der Gruppe E
Spieltag 1: Feyenoord vs. Celtic (Di, 19.9., 21:00 Uhr); Lazio vs. Atlético Madrid (Di, 19.9., 21:00 Uhr)
Spieltag 2: Atlético Madrid vs. Feyenoord (Mi, 4.10., 18:45 Uhr); Celtic vs. Lazio (Di, 4.10., 21:00 Uhr)
Spieltag 3: Feyenoord vs. Lazio (Mi, 25.10., 18:45 Uhr); Celtic vs. Atlético Madrid (Mi, 25.10., 21:00)
Spieltag 4: Atlético Madrid vs. Celtic (Di, 7.11., 21:00 Uhr); Lazio vs. Feyenoord (Di, 7.11., 21:00 Uhr)
Spieltag 5: Lazio vs. Celtic (Mi, 28.11.,18:45 Uhr); Feyenoord vs. Atlético Madrid (Mi, 28.11., 21:00 Uhr)
Spieltag 6: Atlético Madrid vs. Lazio (Mi, 13.12., 21:00 Uhr); Celtic vs. Feyenoord (Mi, 13.12., 21:00 Uhr)
Atlético Madrid: Vom Favoritenschreck zum Dauergast
Bei Atlético Madrid kann mittlerweile guten Gewissens von einem Dauergast in der Gruppenphase der Champions League gesprochen werden. Immerhin gehen die Rojiblancos in ihre elfte aufeinanderfolgende Saison in Europas höchstem Klubwettbewerb. Insofern kommt in der recht ausgeglichenen Gruppe E die Favoritenrolle auch am ehesten den Spaniern zu. Gleichzeitig kommt man nicht um die Tatsache herum, dass sich bei Atlético in den letzten Jahren eine Prise Stagnation eingeschlichen hat. Denn der einstige Favoritenschreck, der zwischen 2014 und 2016 sogar zwei Mal ins Finale der Champions League vordrang (und beide Male gegen Stadtrivalen Real Madrid verlor), ist schon länger kein Kandidat mehr auf den Titel und kam in der vergangenen Spielzeit noch nicht einmal mehr über die Gruppenphase hinaus. Schlimmer noch: Das Team von Diego Simeone schied als Gruppenletzter aus dem europäischen Wettbewerb aus und durfte nicht den Gang in die Europa League antreten, die Atlético 2018 noch gewann. Und das, obwohl die Spanier mit dem FC Porto, Bayer Leverkusen und Brügge auch schon im vergangenen Jahr ein vermeintlich leichteres Los erwischte.
Begeben wir uns also auf Ursachenforschung. Kaum eine Mannschaft in Europa steht so sehr für Kontinuität, wie Atlético: Kontinuität auf der Trainerbank (in Person des impulsiven Argentinier Diego „El Cholo“ Simeone), Kontinuität in der Ligaposition (seit dem Meistertitel 2014 landete Atlético stets unter den ersten vier Mannschaften in Spanien), Kontinuität in der Spielidee. Oder nicht? Lange Zeit galt Diego Simeones Atlético als Verkörperung des sturen Defensiv- und Ergebnisfußball. Das sich diese Spielidee auf höchstem Niveau langsam abnutzt, ist nicht besonders verwunderlich. Und auch Atléticos Kader weist ein hohes Maß an Kontinuität auf. Zu viel Kontinuität vielleicht, schließlich zählen zum Aufgebot Atléticos nach wie vor fünf Spieler, die schon im verlorenen Champions-League-Finale 2016 auf dem Rasen standen. Keine Überraschung also, dass die Rojiblancos mit einem Durchschnittsalter von 28,5 das älteste Team der Gruppe sind.
Doch Atlético hat sich in den letzten neun Monaten von einer Raupe zum Schmetterling entwickelt. Was wir gerade von den Rojiblancos sehen, ist Simeone bzw. Atlético 2.0. Die Tage von 30 Prozent Ballbesitz und 1:0-Ergebnisfußball scheinen in der spanischen Hauptstadt gezählt zu sein. Nach einer enttäuschenden Hinrunde mit dem sang- und klanglosen Ausscheiden aus der Champions League kam Atlético mit einem neuen Gesicht aus der WM-Pause zurück. 49 Tore (im Schnitt knapp 2 Tore pro Spiel) schossen die Rojiblancos nach Wiederaufnahme des Spielbetriebs in den verbleibenden 24 Spieltagen von La Liga. Vor der WM-Pause waren es lediglich 21 Tore in 14 Spielen (1,5 im Schnitt) gewesen. Dass es sich dabei nicht nur um Glück gehandelt hat, belegen die ebenso hohen Expected-Goals-Werte von Simeones Mannschaft. Hätte die Saison nach der WM angefangen, wäre Atlético Meister geworden. Und die gute Form setzt sich bislang fort. Ende August fegte Atlético mit 7 Toren über Ryao Vallecano hinweg.
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„Der Fußball hat sich verändert“, gab der Argentinier selbst zu, und so auch seine Philosophie. Zentrales Element von Atléticos überarbeitetem 4-4-2: Innenverteidiger Mario Hermoso (28) rückt im Spielaufbau ins Mittelfeld vor, verteilt mit seinem feinen Fuß die Bälle und sichert gleichzeitig gegen Umschaltsituationen ab. Ein taktischer Kniff, den Pep Guardiola kurze Zeit später mit John Stones kopierte.
Lazio Rom: Schweben die Adler weiter auf Wolke Sieben?
Die vergangene Saison lief für Lazio Rom gut. Historisch gut. Vor allem defensiv trumpfte Lazio auf und Platz zwei in der Abschlusstabelle hinter Meister Neapel bedeutete für die Hauptstädter die beste Platzierung seit dem Double 2000 unter Sven-Göran Eriksson und die Rückkehr in die Champions League, nachdem I Biancocelesti bereits 2020/2021 in dem Wettbewerb angetreten waren und in einer Gruppe mit dem BVB, Zenit Sankt Petersburg und Brügge bis ins Achtelfinale kamen, wo dann gegen den FC Bayern Schluss war. Insgesamt ist Lazio mit dem hohen Terrain der Königsklasse aber nicht vertraut. Vor der Saison 2020/2021 nahmen die Italiener zuletzt 2007 am Wettbewerb teil.
Insofern werden die von Maurizio Sarri trainierten Himmelblauen vermutlich froh sein, dass sie nicht in die Todesgruppe F oder zum FC Bayern und Manchester United gelost wurden. Auch mit Blick auf den grundsätzlich zufrieden stellenden Transfersommer darf Lazio also durchaus Ansprüche formulieren und hat Chancen auf das Weiterkommen. Der Verlust vom langjährigen Mittelfeldmotor Sergej Milinkovic-Savic (28), der sich im Sommer für 40 Millionen Euro gen Saudi-Arabien verabschiedete, wiegt schwer. Gleichzeitig holte Lazio Daichi Kamada (26) ablösefrei von der Eintracht und verpflichtete Mateo Guendouzi (24) von Olympique Marseille per Leihe. Ebenfalls ausgehliehen wurden Luca Pellegrini (24) und Nicolò Rovella (21) von Juventus. Vom dänischen FC Midtjylland verpflichtete Lazio den Flügelspieler Gustav Iskaksen (22) und Stürmer Taty Castellanos (24), der letztes Jahr an Girona ausgeliehen war, wechselte aus der MLS and den Tiber.
Der Saisonstart von I Biancocelesti gestaltete sich bislang ambivalent. Auf zwei Niederlagen gegen Lecce und Genua folgte am 3. Spieltag der noch jungen Serie A-Saison ein Sieg gegen den bis dahin noch ungeschlagenen amtierenden Meister Napoli, bei dem Sommer-Neuzugang und Ex-Frankfurter Daichi Kamada (26) den Siegtreffer erzielte. Bevor Lazio zum ersten Champions-League-Gruppenspiel Atlético Madrid empfängt, steht für das Team von Maurizio Sarri auch noch die Auswärtsreise zu Juventus Turin an.
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Feyenoord Rotterdam: Der nächste Streich unter Arne Slot
Genau wie Lazio und (mit Abstrichen) Atlético hat Feyenoord Rotterdam in letzter Zeit eine Entwicklung genommen, die steil nach oben zeigt. Der Mann hinter dem Erfolg in der niederländischen Hafenstadt heißt Arne Slot. Als Slot im Sommer 2021 Trainer-Legende Dick Advocaat ablöste, hatte Feyenoord gerade eine uninspirierte Saison auf Platz fünf der Eredivisie abgeschlossen, 29 Punkte hinter Meister Ajax Amsterdam. Zwei Jahre später hielt Feyenoord den Titel selbst in den Händen, nachdem man sich bereits in der Vorsaison auf Platz drei verbessert hatte.
Mit attraktivem Fußball schoss Feyenoord sich im vergangenen Jahr relativ ungefährdet zur niederländischen Meisterschaft, blieb zwischen Oktober und April ungeschlagen und verlor in der Liga ohnehin nur zweimal. Kein Wunder also, dass der Name Arne Slot im Sommer in aller Munde war und intensiv mit Tottenham Hotspur in Verbindung gebracht wurde. Statt sich aber mit dem scheinbar unabwendbaren Lauf der Dinge abzufinden und Erfolgstrainer Slot ins finanzkräftige Ausland ziehen zu lassen, gelang Feyenoord der Coup: Slot verlängerte seinen Vertrag bis 2026, bekannte sich zu Feyenoord und versprach, den nächsten Schritt gehen zu wollen: „Nach dem Sommer steht ein Champions-League-Abenteuer an und es gibt einen nationalen Titel zu verteidigen. Ich bin stolz darauf, Trainer von Feyenoord in Rotterdam zu sein und zu bleiben.“, so Slot damals.
Der Architekt des Erfolgs ist an der Seitenlinie von De Kuip also nach wie vor der selbe und auch auf dem Feld konnten weite Teile der Meistermannschaft zusammengehalten werden. So wechselte Lutsharel Geertruida (23) nicht wie spekuliert zu RB Leipzig oder zum Ablauf der Transferperiode zum FC Bayern München. Auch Mittelstürmer Santiago Gimenez (22), der in der vergangenen Ligasaison 15 Tore schoss, konnte gehalten werden. Gleiches gilt für Innenverteidiger David Hancko (25), dessen Qualitäten als Passspieler und Ballträger mit Sicherheit auch anderen Spitzenteams gut zu Gesicht stünden. Ein Abgang, der Feyenoord hingegen schmerzen wird, ist der von Kapitän und Mittelfeldmotor Orkun Kökçü zu Benfica. Immerhin spülte der Transfer 25 Millionen Euro in die Kassen von Feyenoord – Vereinsrekord.
Den Saisonstart verschlief Feyenoord etwas, verlor zunächst im niederländischen Supercup gegen PSV und spielte in der Liga zweimal unentschieden. Seit Ende August hat das Team von Arne Slot aber seinen Rhythmus gefunden und schoss zuletzt Almere City mit 6:1 und Utrecht mit 5:1 aus dem Stadion. Am ersten Spieltag der Champions-League-Gruppenphase kommt es zum meisterlichen Duell mit dem amtierenden schottischen Meister Celtic.
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Celtic Glasgow: Mach’s noch einmal, Brendan!
Feyenoord Rotterdam und Celtic Glasgow haben eine Menge gemeinsam. Große Vereine aus Industriestädten mit langer Historie, riesiger Anhang und traditionsreiche Stadien. Auch die Entwicklung auf dem Rasen sah in den letzten beiden Jahren ähnlich aus, nachdem zuvor Stagnation oder gar Rückschritt geherrscht hatte. Parallel zur Übernahme Feyenoords durch Arne Slot bekam auch der schottische Riese Celtic einen neuen Trainer, nämlich Ange Postecoglou. Der ehemalige australische Nationaltrainer, der aus dem fernen Japan in die schottische Großstadt kam und vorher noch nie in Großbritannien trainiert hatte, wurde von vielen Celtic-Fans zunächst skeptisch beäugt. Doch binnen kürzester Zeit ließ er jegliche Kritik verstummen, gewann in zwei Jahren fünf von sechs möglichen Trophäen (darunter zwei Meisterschaften in Folge) und machte die „Bhoys“ schnell wieder zu Schottlands Nummer Eins.
Im Gegensatz zu Feyenoord konnte Celtic den Mann hinter dem Erfolg nicht halten. Auch hier ist das Schicksal der beiden Klubs miteinander verwebt: Weil Tottenham bei Arne Slot erfolglos blieb, richteten die Nordlondoner den Blick gen Schottland und verpflichteten Postecoglou als neuen Cheftrainer. Und nach einem vielversprechenden Saisonstart hat der Australier auch bereits die Herzen der Spurs-Fans gewonnen. Kürzlich sang sogar Robbie Williams den neuen Fangesang zu Ehren Postecoglous. Auf Celtics Trainerbank sitzt daher seit dem Sommer ein neues und gleichzeitig altbekanntes Gesicht. Brendan Rodgers, der Celtic 2019 noch verließ um Leicester City zu übernehmen, ist an seine alte Wirkungsstätte zurückgekehrt und soll Celtic in die neue Ära nach Postecoglou führen. Die Vorzeichen stehen prinzipiell gut, schließlich prägte Rodgers zwischen 2016 und 2019 eine ebenso erfolgreiche Ära bei Celtic wie zuletzt Postecoglou.
Für die Mission Titelverteidigung holte Celtic eine ganze Reihe an vergleichsweise günstigen und weniger bekannten neuen Gesichtern in den Kader, so zum Beispiel Linksaußen Luis Palma (23) oder den 20-jährigen norwegischen Mittelfeldspieler Odin Thiago Holm. Einer der Leistungsträger und Top-Torjäger aus dem System Postecoglou, Kyogo Furuhashi (28), konnte gehalten werden. Ein anderer hingegen nicht: Der Portugiese Jota (24) wechselte schon zu Beginn des Sommers knapp 30 Millionen Euro zu Al-Ittihad nach Saudi-Arabien. Die Gerüchte, dass er dort schon wieder vor dem Abschied steht und doch nicht als einer von maximal acht Ausländern im Kader registriert werden soll, halten sich hartnäckig.
In der vergangenen Spielzeit trat Celtic mutig und offensiv an, hatte gegen Real Madrid und RB Leipzig aber letztendlich keine Chance. In die neue Champions-League-Saison dürfte das Team von Brendan Rodgers trotzdem mit breiter Brust starten, schließlich sind die Bhoys in dieser Saison bislang noch ungeschlagen und besiegten zuletzt auch den Lokalrivalen Rangers im legendären Old Firm Derby. Am Wochenende steht noch ein Heimspiel gegen Dundee an.
Champions-League-Gruppe E: Prognose
In der relativ ausgeglichenen Gruppe fällt eine Prognose nicht leicht. Betrachtet man die Entwicklung, die Atlético, Lazio, Feyenoord und Celtic in den letzten Monaten genommen haben, findet man viele Parallelen zwischen den Teams. Prinzipiell zeigt(e) mit ein paar Abstrichen bei allen Mannschaften der Pfeil zuletzt nach oben, weshalb die Gruppe auch viel Spannung und interessante Begegnungen verspricht. Atlético Madrid darf allein aufgrund der Erfahrung in der Champions League und der individuellen Qualität im Kader als Favorit auf den Gruppensieg gehandelt werden, um Rang zwei könnten sich Lazio und Feyenoord duellieren. Beide Teams spielten schon vergangene Saison in der Europa League in der selben Gruppe. Für Celtic wird ein Weiterkommen in die K.O.-Runde höchstwahrscheinlich schwer werden.
(Photo by JAVIER SORIANO/AFP via Getty Images)
David Schöngarth
Aufgewachsen mit Grafite, Luca Toni und Co. entfachten Gareth Bale und Mauricio Pochettinos Spurs in David eine Leidenschaft für die Premier League. Interessiert sich für alles, was auf der Insel vor sich geht. Seit 2022 bei 90Plus.