Blick über den Tellerrand | Van Bommel mit Antwerpen auf Doublekurs, Ajax am Boden

10. Mai 2023 | Global News | BY Yannick Lassmann

Die Berichterstattung über den internationalen Fußball dreht sich hauptsächlich um die führenden fünf europäischen Ligen und ihre Topklubs. Doch auch dahinter wird attraktiver Fußball geboten, auf den wir regelmäßig im „Blick über den Tellerrand“ ein genaueres Auge werfen. Unser Blick richtet sich dabei auf die deutschen Nachbarländer Niederlande, Belgien, Österreich und die Schweiz sowie Portugal und Schottland, die in der UEFA-Fünfjahreswertung starke Positionen einnehmen. Während Ajax den Meistertitel abgeben muss, kehrten die Young Boys Bern an die nationale Spitze zurück. Auf dem Weg dorthin befindet sich auch Mark van Bommel bei Royal Antwerpen.

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Eredivisie: An der Spitze kaum konkurrenzfähig – Ajax vor dem nächsten Umbruch

Im vergangenen Sommer gab Ajax Leistungsträger wie Sébastien Haller, Lisandro Martinez oder Anthony ab und musste Trainer Erik ten Hag in Richtung Manchester United ziehen lassen. Trotz dieser hochkarätigen Verluste hätten wohl auch die größten Pessimisten einen besseren Saisonverlauf erwartet. Der niederländische Rekordmeister liegt in der Eredivisie mittlerweile 13 Punkte hinter Spitzenreiter Feyenoord und kann sich auch rechnerisch den Titel nicht mehr sichern. Auch das Trostpflaster in Form des Pokalsiegs verpasste Ajax (63 Punkte), denn im Endspiel unterlag man der PSV Eindhoven nach einem dramatischen Elfmeterschießen mit 3:4.

Letztlich brachte auch der Trainerwechsel von Alfred Schreuder, der dem Erbe von ten Hag zu keinem Zeitpunkt gewachsen war und mit Daley Blind eine Vereinsikone vergraulte, hin zu Johnny Heitinga kaum Besserung. Nur selten wussten die Amsterdamer fußballerisch zu überzeugen. Insbesondere in Topspielen gaben sie keine gute Figur ab. Aus den insgesamt neun Vergleichen im Saisonverlauf mit Feyenoord, PSV Eindhoven und AZ Alkmaar sprang ein magerer Sieg heraus. In den entscheidenden Begegnung – wie etwa dem Pokalendspiel oder dem wegweisenden Heimspiel gegen den Erzrivalen und kommenden Meister Feyenoord (76) – stand Ajax stets mit leeren Händen da.

Dementsprechend große Unruhe herrscht rund um den Klub. Dazu trug neben den mangelhaften Resultaten auch die schwache Kommunikation des Klubs bei. Noch immer ist die Besetzung des Trainerpostens für die kommende Spielzeit, in der sogar die Teilnahme an der Conference League drohen könnte, nicht geklärt. Heitinga, dessen Bilanz durchwachsen ausfällt, muss sich Woche für Woche mit Nachfragen auseinandersetzen, ohne diese beantworten zu können.

(Photo by ROY LAZET/ANP/AFP via Getty Images)

In den Blickpunkt vieler Fans gerät daher der seit 2016 als Geschäftsführer fungierende – und selten so oft wie in dieser Saison danebenliegende – Edwin van der Sar. Dennoch dürfte er auch in Zukunft weiter das Kommando inne haben und dabei tatkräftige Unterstützung von Sven Mislintat erhalten, der womöglich schon Ausschau nach potenziellem Ersatz für Leistungsträger wie Mohammed Kudus, Edson Álvarez oder den hochtalentierten Innenverteidiger Jurrien Timber hält.

Jupiler Pro League: Van Bommel steuert mit Antwerpen aufs Double zu

Mit großen Ambitionen startete Royal Antwerpen (42) in die aktuelle Saison. Dies unterstrich alleine die Verpflichtung des technischen Direktors Marc Overmars, der Ajax nach einem ziemlich erfolgreichen Jahrzehnt aus unschönen Gründen verließ. Overmars verpflichtete mit Mark van Bommel einen Cheftrainer, hinter dem nach der schnellen Entlassung beim VfL Wolfsburg durchaus Fragezeichen standen. Der ehemalige Mittelfeldspieler scheint jedoch Lehren aus seinem krachenden Scheitern in der Bundesliga gezogen haben, denn seine Mannschaft startete prächtig ins Spieljahr und meisterte – ganz im Gegenteil zu den Wölfen – die erste Negativspirale.

Lange Zeit befand sich das von Immobilienmogul Paul Gheysens finanziell erheblich geförderte Antwerpen auf Rang drei hinter den Überfliegern aus Genk (41) sowie Royale Union Saint-Gilloise (41). Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet. Der Trend spricht eindeutig für Royal, das neun der vergangenen zehn Pflichtspiele gewann, darunter auch das Pokalendspiel gegen Mechelen (2:0). Darauf folgte zum Auftakt der Meisterrunde – zuvor wurden bei sämtlichen Teilnehmern die Punkte halbiert – ein 2:0 bei Saint-Gilloise sowie ein 2:1 gegen Genk, was zum Sprung an die Tabellenspitze ausreichte.

(Photo by TOM GOYVAERTS/Belga/AFP via Getty Images)

Vier Spieltage vor Schluss liegt Antwerpen somit jeweils einen Zähler vor Genk sowie Saint-Gilloise und darf von der ersten Meisterschaft seit 66 Jahren träumen. Der Anteil von van Bommel fiel trotz der wirtschaftlichen Vorteile und der damit verbundenen hohen individuellen Klasse im Kader keineswegs gering aus. Ihm gelang es, einen ansehnlichen Ballbesitzfußball zu etablieren. Dazu fand er eine gute Mischung aus Routiniers und talentierten Akteuren. Bezeichnend für die Harmonie im Kader stehen der 34-jährige Toby Alderweireld oder der abgeklärte Angreifer Vincent Janssen. An der Seite der erfahrenen Akteure etablierte sich der erst 18-jährige Arthur Vermeeren im zentralen Mittelfeld. Willian Pacho bot solch überzeugende Leistungen, das er in der neuen Saison für Eintracht Frankfurt in der Bundesliga auflaufen darf. Van Bommel winkt im Falle des Doublegewinns sogar die Teilnahme an der Champions League.

Super League: Berner Dominanz führt zum frühen Meistertitel

Über die gesamte Spielzeit hinweg dominierten die Young Boys (67) im Ligabetrieb. Die logische Konsequenz folgte bereits fünf Spieltage vor Saisonende in Form der vorzeitigen Meisterschaft – und zwar passend zum Saisonverlauf auf höchst überzeugende Art. Mit 5:1 fegten die Berner den damaligen zweitplatzierten Luzern vom Platz. Eine Woche zuvor erhielt bereits mit Servette Genf ein weiterer „Verfolger“ eine Lehrstunde und ging im Stadion Wankdorf gar mit 1:6 unter. Das zwischen den beiden Kantersiegen liegende 4:1 bei den Grasshopper Zürich, die sich aus dem Abstiegskampf entfernten, blieb nur eine Randnotiz.

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19 Punkte Vorsprung besitzt Bern, das sich fünf der letzten sechs Schweizer Meisterschaften sicherte, vor Genf. Ehemalige Rivalen wie der abgestürzte FC Basel liegen sogar 25 Punkte zurück. Gründe für die Berner Überlegenheit ergeben sich durch die erfolgsbedingt entstehenden wirtschaftlichen Vorteile – der Marktwert des Kaders ist mindestens doppelt so hoch wie bei zehn der elf Ligakonkurrenten durch eine kluge Personalpolitik. So wurden etwa die in die Bundesliga abgewanderten Angreifer Jordan (Union Berlin) sowie Wilfried Kanga (Hertha BSC) durch den bei den Rangers noch unglücklich agierenden Cedric Itten und den im Vorjahr noch nach Venedig verliehenen Jean-Pierre Nsame ersetzt. Dieses Sturmduo produzierte 37 der 77 Saisontore.

Verantwortlich für die gelungenen Transfers zeigt sich Sportchef Steve von Bergen, der in Raphael Wicky nach einem enttäuschenden Dreivierteljahr mit David Wagner den geeigneten, zumeist auf eine Raute im Mittelfeld zurückgreifenden Trainer fand. Ebenso präsentierte von Bergen mit Kastriot Imres und Filip Ugrinic passende Verstärkungen. Spezieller erstgenannter könnte YB, wie der bereits für die Schweizer Nationalmannschaft auflaufende Fabian Rieder, eine ansprechende Transfersumme einbringen. Der Abgang von Cedric Zesiger steht hingegen bereits fest. Den Innenverteidiger zieht es für fünf Millionen Euro zum VfL Wolfsburg, wo er sich möglicherweise auch auf internationalem Parket beweisen darf.

(Photo by KURT DESPLENTER/BELGA MAG/AFP via Getty Images)

Yannick Lassmann

Rafael van der Vaart begeisterte ihn für den HSV. Durchlebte wenig Höhen sowie zahlreiche Tiefen mit seinem Verein und lernte den internationalen Fußball lieben. Dem VAR steht er mit tiefer Abneigung gegenüber. Seit 2021 bei 90Plus.


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