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La Liga | „Hey Jude“ & katalanische Festspiele ohne Barcelona – So lief die Hinrunde

28. Dezember 2023 | Trending | BY Michael Bojkov

Winterpause in La Liga. Für uns die Gelegenheit, nochmal in Ruhe auf die ersten 18 Spieltage zu blicken. Mit dabei: Ein mitreißendes Team aus Katalonien, das da nicht FC Barcelona heißt. Und natürlich Jude Bellingham.

Bellingham erobert La Liga

Dass Jude Bellingham bei Real Madrid auf Anhieb derart einschlagen würde, damit hätten wohl nicht einmal die kühnsten Optimisten gerechnet. Doch nach 16 Auftritten, in denen dem Mittelfeldmann (!) sage und schreibe 13 Treffer gelangen, muss man festhalten, dass er La Liga als die seine beansprucht hat. Bellingham war es, der in seinem ersten Clásico nicht nur den Ausgleich (68.), sondern gleichwohl den 2:1-Siegtreffer in der zweiten Minute der Nachspielzeit erzielte. Es waren zweifelsohne die wichtigsten Tore seiner noch jungen Ära im Dress der Blancos.



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Es waren aber beileibe nicht seine einzigen Tore, die den Königlichen einen Sieg retteten. Nach einer Hinrunde, in der sich zwei wichtige Defensivakteure und der Stammtorhüter einen Kreuzbandriss zuzogen und die Tore eines Karim Benzema plötzlich wegfielen, durfte sich Real Madrid über Weihnachten doch noch als Tabellenführer in La Liga wähnen – und Bellingham, der von den eigenen Fans schon jetzt mit „Hey Jude“ besungen wird, hat daran einen besonders großen Anteil.

Unterschiedliche Gefühlswelten in Katalonien

Dass die Königlichen bislang lediglich die Hälfte aller Spieltage als Tabellenführer abschlossen, lag wenig überraschend an einem Klub aus Katalonien. Weniger zu erwarten war derweil, dass dieser Klub nicht aus Barcelona, sondern aus dem beschaulichen Girona kommen sollte. Als Aufsteiger sorgte die Mannschaft von Trainer Michel bereits in der vergangenen Saison mit einem attraktiven Offensivfußball für Aufsehen.

Der gesunde Mix aus Talenten wie Senkrechtstarter Sávio und erfahreneren Spielern – exemplarisch Kapitän und Stratege Aleix García – ergibt ein Puzzle, das nicht nur wunderschön anzuschauen ist, sondern sich selbst auch ziemlich beständig beisammenhält. Schließlich ist der FC Girona aktuell eines der konstantesten Teams im europäischen Topfußball. Lediglich eine Niederlage gegen Real Madrid (0:3) musste der Tabellenzweite hinnehmen, dazu kamen drei Remis, jeweils gegen starke Gegner. Alle anderen Spiele gewann Girona – darunter auch das Duell in Barcelona (4:2).

Das Spiel am 10. Dezember war ein Sinnbild für die bisherige Saison beider katalanischen Vertreter in La Liga. Während Girona alles übertrumpfte, herrschte beim katalanischen Großnachbarn Krisenstimmung unterm Weihnachtsbaum. Der amtierende Meister mühte sich mehr durch die erste Halbserie als dass er durch spielerische Glanzmomente zu überzeugen wusste. Das letzte Spiel, das die Katalanen klar und überlegen gewannen, ist über drei Monate her: Ein 5:0-Heimsieg gegen Betis am 16. September.

Die Niederlage im Clásico und auch Punktverluste gegen mehrere kleinere Mannschaften mündeten schließlich in einer Krise, die Xavis Job ernsthaft in Gefahr zu bringen schien – und die so ganz auch noch nicht vorüber ist: Der jüngste 3:2-Sieg gegen Schlusslicht Almería glich eher einer Schadensbegrenzung als einem ernsthaften Befreiungsschlag. So befindet sich Barca zwischen den Jahren ein bisschen auf der Suche nach sich selbst – und in der Tabelle nur auf Platz vier, mit bereits sieben Punkten Rückstand auf Real.

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Jude Bellingham bejubelt seinen späten Siegtreffer im Clásico. (Photo by LLUIS GENE/AFP via Getty Images)

Atlético erneut nicht ohne Aber, Getafes Erfolgsgeschichte mit Bordalás

Atlético steht punktgleich zu Barca auf Rang drei und warf in den letzten Wochen auch einige Fragen auf. Zwar starteten die Colchoneros gut in die Saison und schienen an die erfolgreiche Rückrunde der vergangenen Spielzeit anzuknüpfen. Zudem hält auch die Form von Antoine Griezmann an, der bereits elfmal getroffen hat. Allerdings sorgen regelmäßige Punktverluste gegen kleinere Mannschaften dafür, dass der Titel in La Liga eher ein Randthema für Diego Simeone und Co. bleibt. Atleti verlor unter anderem in Valencia (0:3) und Las Palmas (1:2), lieferte sich zudem im vorletzten Heimspiel ein – so wird es Simeone gesehen haben – unnötig spektakuläres 3:3 gegen den FC Getafe.

Der befindet sich immerhin überraschend auf dem achten Tabellenplatz und scheint in Trainer José Bordalás nun endgültig seine bessere Hälfte gefunden zu haben. Der 59-Jährige führte den Madrider Vorstadtklub schon in seiner ersten Amtszeit zwischen 2016 und 2021 von der Segunda División bis in die Europa League. Nachdem die Azulones die letzten drei Jahre im Abstiegskampf gefordert waren, führte Bordalás den Klub nach seiner Rückkehr im April erst zum Klassenerhalt und mischt nun erneut überraschend in den oberen Gefilden der Tabelle mit.

Für seine Grundtugenden hat sich Bordalás schon während seiner ersten Amtszeit landesweit unbeliebt gemacht: Eklig sein und den Gegner mit allen grenzlegalen Mitteln zur Weißglut treiben. Dass Getafe die mit Abstand meisten Gelben Karten der Liga sammelt (72, dahinter Cádiz mit 56) und obendrein auch die meisten Platzverweise (6) kassiert, ist in etwa genauso überraschend wie Real Madrids Tabellenführung, also gar nicht. Immerhin: Dass sich mit Borja Mayoral (zwölf Tore) ein Getafe-Spieler unter den Toptorjägern in La Liga wähnen darf, hätte nicht jeder ahnen können.

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José Bordalás will den Erfolg zurück nach Getafe bringen. Im Zweifel gerne auch auf die unschöne Art. (Photo by Alex Caparros/Getty Images)

Die (un)verdächtigen Verfolger in La Liga

Wie steht es eigentlich um die üblichen Verfolger aus Sevilla, dem Baskenland und Villarreal? Zumindest die Anhänger vom Athletic Club aus Bilbao dürften mit Platz fünf und nur drei Punkten Rückstand auf die Champions-League-Ränge zufrieden sein. Die guten Ansätze aus dem Vorjahr unter Trainer Ernesto Valverde bestätigten sich und spiegelten sich in guten Resultaten wider. Gegen kleinere Teams hat man hier und da Punkte liegen lassen, Niederlagen aber gab es lediglich gegen Real (0:2), Barca (0:1) und im Baskenderby bei Real Sociedad (0:3), das vier Punkte hinter Bilbao auf Platz sechs rangiert.

„La Real“ hat im Grunde das gleiche Problem wie so viele andere Topteams: Zu viele Punktverluste gegen die kleineren Mannschaften. Während in der Champions League vorzeitig das Achtelfinalticket gebucht wurde, fehlt es in La Liga also an Beständigkeit, was in San Sebastian jedoch kein neues Thema ist. Gleiches gilt für Real Betis. Die Mannschaft von Manuel Pellegrini deutet immer wieder ihr Potential an, auch Sommerneuzugang Isco macht sich bei den Verdiblancos gut, doch lassen sie immer wieder unnötig Punkte auf der Strecke. 

Immerhin befinden sich die Beticos noch in der Verlosung um die Europapokal-Plätze. Davon kann der Stadtrivale aktuell nur träumen. Wie schon in der vergangenen Saison spielt der FC Sevilla auch in der laufenden Spielzeit gegen den Abstieg. Lediglich drei Spiele konnte der Europa-League-Sieger in der Hinrunde gewinnen, sowohl José Luis Mendilibar als auch dessen Nachfolger Diego Alonso mussten den Hut nehmen. Die Aufgabe, den Drei-Punkte-Vorsprung auf die rote Zone zu vergrößern, wird nun Quique Sanchez Flores zuteil, der die Andalusier beim überzeugenden 3:0-Sieg in Granada immerhin gleich mal zum ersten Dreier seit Ende September führte. 

Derweil geht auch in Villarreal der Blick nach unten. Die namhaften Abgänge im Sommer (Pau Torres, Samuel Chukwueze, Nicolas Jackson) konnten nicht kompensiert werden, es folgten schwache Resultate und das Aus von Trainer Quique Setién. Immerhin: Mit Marcelinos Comeback auf die Trainerbank kehrte im November auch eine gewisse Aufbruchstimmung ins Estadio de la Cerámica zurück.

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Das Baskenderby gilt als eines der brisantesten Duelle im spanischen Fußball. In der Hinrunde besiegte Real Sociedad den Athletic Club vor heimischem Publikum klar mit 3:0. (Photo by CESAR MANSO/AFP via Getty Images)

Überraschung hier, Enttäuschung dort

Dass der FC Girona die Überraschung der Saison ist, darüber herrscht Konsens. Auch Getafe auf Platz acht überrascht durchaus. Direkt dahinter befindet sich mit der UD Las Palmas eine Mannschaft, die man gleichwohl in tieferen Gefilden der Tabelle erwartet hätte. Trotz schwachen Starts mit zwei Punkten aus fünf Spielen blieb sich die Mannschaft von Ex-Barca-Jugendcoach Garcia Pimienta ihrem für La Liga sehr untypischen Ballbesitzspiel treu – und erntete alsbald auch die Früchte dafür.

Mit durchschnittlich 59 Prozent und damit mehr Ballbesitz als Real Madrid gewann der Inselklub nach den anfänglichen Schwierigkeiten sieben von 13 Spielen, feierte unter anderem einen 2:1-Heimsieg gegen Atlético. Hauptverantwortlich dafür, dass der Abstiegskampf über Weihnachten nicht im Entferntesten ein Thema auf den Kanaren war, ist die Defensive: So musste Keeper Álvaro Valles erst 15-mal hinter sich greifen und stellt damit hinter Real Madrid (elf Gegentreffer) den zweitbesten Wert in La Liga.

Die größte Enttäuschung der Hinrunde kommt derweil aus Andalusien: Die UD Almería wartet noch immer auf ihren ersten Saisonsieg und ist damit wenig überraschend das Schlusslicht in La Liga. Immerhin: Aufsteiger Granada liegt nicht nur geographisch unweit von Almería, sondern ist auch Tabellennachbar. Das rettende Ufer ist mit sieben respektive zehn Punkten aber für beide Mannschaften ein gutes Stück entfernt. Die ersten Tickets für die Segunda División wurden also zumindest schonmal angefragt.

Michael Bojkov

(Photo by Alex Caparros/Getty Images)

Michael Bojkov

Lahm & Schweinsteiger haben ihn einst zum Fußball überredet – mit schwerwiegenden Folgen: Von Newcastle über Frankfurt bis Cádiz saugt Micha mittlerweile alles auf, was der europäische Vereinsfußball hergibt. Seit 2021 bei 90PLUS und vorwiegend in Spanien unterwegs.


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