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Ligue 1: Spannende Projekte, viele Talente – und einige Probleme: Die Tops und Flops

8. Juni 2023 | Trending | BY Manuel Behlert

Die Saison in der französischen Ligue 1 ist Geschichte. Paris Saint-Germain hat den Titel gewonnen, aber nicht ohne Nebengeräusche. Vier Teams sind abgestiegen, weil die Liga von 20 auf 18 Teams verkleinert wird. Positive Geschichten schrieben vor allem Klubs wie Reims oder Lens. Die Tops und Flops der Saison 2022/23 sind also bunt gemischt!

Ligue 1: Eine Liga für junge Stürmer

In der abgelaufenen Saison der französischen Ligue 1 haben wieder einmal einige junge Spieler auf sich aufmerksam gemacht. Seit jeher ist diese Liga ein gutes Umfeld für junge Talente, um zu reifen, zu wachsen und Erfahrungen auf höchstem Niveau zu sammeln. Gleich mehrere Beispiele lassen sich für die Saison 2022/23 finden. Da wäre unter anderem Lois Openda (23), im Sommer 2022 erst aus Belgien zum RC Lens gekommen. Der Angreifer hatte einen großen Anteil an der guten Saison des Vizemeisters, erzielte in der Liga starke 21 Tore und entwickelte sich in allen Facetten seines Spiels weiter. Kein Wunder, dass Teams wie RB Leipzig Schlange stehen.



Spannend wird auch zu sehen sein, wie die Zukunft von Folarin Balogun (21) aussieht. Der FC Arsenal verlieh den jungen Angreifer vor der Saison zu Stade Reims, wo er schnell einen guten Eindruck hinterließ. Auch er traf 21-mal, was besonders beeindruckend war, weil er erstmals eine gesamte Saison auf Profiniveau bei einem Klub absolvierte.

Der dritte junge Stürmer, der hervorzuheben ist, heißt Elye Wahi (20). Er spielt beim HSC Montpellier, traf 19-mal in 33 Spielen in der Ligue 1 und bereitete zudem auch noch sechs Treffer vor. Seine Geschwindigkeit und sein Zug zum Tor machen ihm zu einem sehr spannenden Spieler. Wechseln alle drei im Sommer den Klub? Das ist durchaus möglich. Bewerbungsschreiben gab es jedenfalls genug. 

RC Lens: Der Lohn für harte Arbeit und gute Strukturen

In der Ligue 1 ist eines offensichtlich: Neben Patzern von Branchenprimus PSG braucht es spezielle Projekte, um im Titelkampf dafür zu sorgen, dass der Klub aus der Hauptstadt eben nicht den Titel gewinnt. Ein gutes Beispiel war der OSC Lille vor wenigen Jahren. Jetzt hat der RC Lens einen ähnlichen Weg hingelegt, mit einer klaren Struktur, cleveren Einkäufen und Franck Haise (52) als Trainer. Am Ende der Saison trennte Vizemeister Lens nur ein Punkt von PSG. Zwischendurch sah es so aus, als könnte der Traditionsklub am Ende die Meisterschaft gewinnen, ehe das „Imperium“, das sich selten wie eines benahm, zurückschlug.

RC Lens Ligue 1

(Photo by FRANCOIS LO PRESTI/AFP via Getty Images)

Spieler wie Kevin Danso (24), Przemyslaw Frankowski (28), Seko Fofana (28), der angesprochene Openda oder Adrien Thomasson (29) zählten zu den Garanten für den Erfolg. Die Defensivstruktur war formidabel, nur 29 Gegentore kassierte das Team, was den Bestwert markierte. Gleiches galt übrigens auch für die nur vier Niederlagen im Saisonverlauf. Zudem gab es 17 Siege in 19 Heimspielen, dort 41 eigene Treffer. Wenn die Mannschaft halbwegs zusammenbleibt, kann hier etwas entstehen. 

Will Still: Die Geschichte der Saison

Will Still, Trainer von Stade Reims, schrieb eine der Geschichten der Saison in der Ligue 1. Gegner analysieren, Taktik einstellen und Transfers vorbereiten: So sieht der Alltag im Fußball Manager aus. Diesen spielte der besagte Coach auch ausgiebig, mittlerweile wurde daraus aber Realität. Am 13. Oktober stieg der erst 30-jährige Belgier zum Cheftrainer in Reims auf – und veränderte alles. Anfangs noch ohne die notwendige Lizenz als Chefcoach. Nach seinem Debüt blieb er mit seinem Team erstmal 14 Spiele in Folge ungeschlagen, ehe im Pokal das Aus bei Toulouse folgte.

In der Liga verlor sein Team unter seiner Leitung sogar die ersten 17 Spiele nicht. Unter ihm gab es in 31 Spielen 49 Punkte, der Schnitt pro Partie liegt bei mehr als 1,5 Zählern. Für einen Klub mit den Ansprüchen von Reims, nämlich primär sicher die Klasse zu halten, ist das mehr als nur ein Erfolg. Kompaktheit, schnelles Umschalten und Flexibilität zählen zu den Kernkompetenzen, die der Trainer seinem Team vermittelt hat. Bis 2025 ist er an den Klub gebunden und es erscheint alles andere als unwahrscheinlich, dass die bisher sehr positive Reise auch in der kommenden Saison in dieser Form weitergeht. 

Alles rund um die Ligue 1 findet ihr hier 

Trotz Titel: PSG kommt nicht zur Ruhe

Paris Saint-Germain war wieder einmal mit großen, wenn nicht den größten Ambitionen in die Saison gestartet. Doch der Klub gewann am Ende „nur“ die Meisterschaft. Um die Spielzeit 2022/23 in der Ligue 1 geht es in diesem Fall zwar, dennoch sorgt die Unruhe im gesamten Klub dafür, dass PSG eher zu den Flops zu zählen ist. Das Projekt Christophe Galtier (56) ist nach nur einem Jahr gescheitert, Lionel Messi (35) verlässt den Klub ebenso wie Sergio Ramos (37), Neymar (31) hat seinen Kredit bei den Fans verspielt und will ebenfalls wechseln. 

Lionel Messi PSG FC Barcelona

(Photo by FRANCK FIFE/AFP via Getty Images)

PSG schaffte es auch in dieser Saison nicht, für eine vernünftige Basis zu sorgen. Eine, die endlich Struktur und Kontinuität in den Klub bringt. Eine, die eine positive Entwicklung begünstigt. Stattdessen steht schon wieder ein Umbruch an, selbst die Verantwortlichen stehen zur Debatte. Dass Trainer Galtier zwischenzeitlich auch noch mit Rassismusvorwürfen konfrontiert wurde, gerät bei all den Problemen rund um den Klub schon fast in Vergessenheit. PSG bleibt ein Pulverfass, egal, wer auf der Bank sitzt oder auf dem Feld steht. 

Ausschreitungen, Angriffe & co.: Ligue 1 als Negativbeispiel

Leider sind Ausschreitungen, Gewalt und Rassismus Themen, die nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in den Fußballstadien eine Rolle spielen. In den letzten Monaten und Jahren kam es immer wieder zu negativen Vorfällen, auch in der Ligue 1. Und hier vielleicht ganz besonders. Bei Spielen mit schwierigen Vorzeichen, also Derbys oder Duellen zwischen Teams, deren Fangemeinden sich – vorsichtig ausgedrückt – nicht besonders gut leiden können, gehört ein erhöhtes Polizeiaufgebot schon dazu. Mobile Fangzäune, um Spieler bei Eckbällen davor zu schützen, mit Gegenständen beworfen zu werden, sind ebenfalls oft in den Stadien zu sehen.

Auch 2022/23 gab es wieder viele unschöne Szenen. Kürzlich wurde ein Journalist von einer Fangruppe angegriffen, in Bordeaux, wenn auch Ligue 2, kam es zu einem Spielabbruch. Zweifelsohne: Eine Saison vorher schrieb die Ligue 1 noch mehr Negativschlagzeilen, aber alleine die Tatsache, vor jedem Spieltag ein ungutes Gefühl zu haben, was mögliche Ausschreitungen angeht, spricht nicht gerade für die Liga.

SCO Angers: Sang- und klanglos abgestiegen

In jeder Saison müssen Klubs aus der Ligue 1 absteigen, diesmal sogar vier. Darunter auch der SCO Angers. Die Verantwortlichen haben vieles versucht, gingen mit Gerald Baticle in die Saison. Abdelaziz Bouhazama ersetzte ihn zur WM-Pause, war im März aber ebenfalls Geschichte. Unter Alexandre Dujeux war dann auch nichts mehr zu retten, Angers stieg als 20. ab. Der letzte Platz war indes nur folgerichtig, denn für den Klub lief es abenteuerlich schlecht. 

Kein Spieler schoss mehr als fünf Tore, 81 Gegentreffer kassierte die Mannschaft. 28 von 38 Spielen gingen verloren, was alleine für sich schone eine absurd schlechte Quote ist. Nur 33 Tore gelangen, nur vier Spiele wurden gewonnen. 18 Punkte aus 38 Spiele sind eine historisch schlechte Leistung, sogar auf Platz 19 waren es sechs Punkte, bis zum rettenden Ufer am Ende gar 18. Kaum ein Abstieg war je so verdient. 

Monaco und Lyon: Ambitionen ja, aber…

Die AS Monaco und Olympique Lyon hatten vor der Saison etwas gemeinsam. Wenn die Konkurrenz im Kampf um die vorderen Plätze patzte, wollte man da sein, vielleicht sogar PSG herausfordern. Die Lyonnais holten dafür sogar Alexandre Lacazette (32) und Corentin Tolisso (28) zurück, hofften auf einen Angriff auf die vorderen Ränge. Doch die Realität sah anders aus. Peter Bosz (59) wurde nach Misserfolg entlassen, unter Laurent Blanc (61) mussten sich die Dinge erst neu finden. Die Folge: Lyon stand nie ganz oben in der Tabelle, schloss die Liga auf Platz sieben ab. Und selbst das war nach der zwischenzeitlichen Bilanz noch ein Teilerfolg, auch wenn den eigenen Ambitionen dramatisch hinterhergehinkt wurde.

Einen Platz weiter vorne lief die AS Monaco am Saisonende ein. Das war aber ebenfalls enttäuschend, vor allem, weil der Kader eigentlich mehr ermöglicht hätte. Ausdruck der Unzufriedenheit war auch die Trennung von Philippe Clement (49) nach dem Ende der Saison. Ein Kader mit Spielern wie Wissam Ben Yedder (32), Takumi Minamino (28), Aleksandr Golovin (27) oder Axel Disasi (25) muss in der Lage sein, besser zu spielen und mehr zu erreichen, als es bei den Monegassen der Fall war. 

(Photo by SAMEER AL-DOUMY/AFP via Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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