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U21-EM: Liverpools Curtis Jones: Der „neue Steven Gerrard“?

27. März 2021 | Spotlight | BY Lukas Heigl

Spotlight | Wer mit 19 Jahren bereits zum erweiterten Kreis der Stammspieler beim englischen Meister gehört und in Phasen nicht mehr aus der Mannschaft wegzudenken ist, muss ein ganz besonderes Talent sein. Genau das ist Curtis Jones. Doch wer ist Jones überhaupt, was macht ihn aus, und wie kam es zu diesem kometenhaften Aufstieg?

  • Curtis Jones: Ein echter Scouser
  • Seine Rolle wird immer defensiver
  • Profiteur der vielen Verletzten

Curtis Jones: Ein Scouser durch und durch

Curtis Julian Jones (20) ist ein Scouser, wie er im Buche steht. So werden Menschen bezeichnet, die im Großraum Liverpool geboren werden, aufwachsen und entsprechend auch die Einstellung und vor allem die Sprache der Region verinnerlichen. Jones ist in Liverpool geboren, er lebte nie in einer anderen Stadt auf Gottes grüner Erde. Seit der U9 ist der Mittelfeldmann in der Jugendakademie des Liverpool FC unterwegs. Anders als viele andere Jugendspieler war Jones nie verliehen. Er kam in der letzten Saison nach und nach in der Mannschaft von Trainer Jürgen Klopp (53) an. In dieser Saison ist er zu einem sehr wichtigen Baustein der Mannschaft geworden.

Veränderte Rolle bei den Herren

In der Jugend war Jones‘ Spielweise sehr offensiv ausgelegt. Er agierte zumeist als offensiver Mittelfeldspieler in einem 4-2-3-1. Aus dieser Position heraus stieß er immer wieder in die Spitze nach vorne und mache aus dem System ein 4-4-2. Dadurch kam er seit der U18 in 80 Pflichtspielen auf stolze 41 Treffer. Für einen Mittelfeldspieler ein außerordentlich starker Wert. An den im gleichen Zeitraum lediglich 15 Assists merkt man bereits, dass Jones eher auf den eigenen Abschluss ging, als die Mitspieler einzubinden.

Seit er in der ersten Mannschaft der Reds angekommen ist, verändert sich sein Spiel immer mehr. Jones legt deutlich mehr Wert auf das Zusammenspiel mit seinen Kollegen, agiert aus einer deutlich tieferen Position heraus und beteiligt sich mehr am Spielaufbau. Seine Vorstöße sind deutlich weniger geworden, sind jedoch noch vorhanden. Defensiv hat sich Jones ebenfalls enorm verbessert. Wirkte es in der Jugend oft so, als würde er die „Drecksarbeit“ lieber anderen überlassen, ackert der Engländer inzwischen wie ein Verrückter gegen den Ball, presst oft als erster Spieler und ist wenige Sekunden später am eigenen Strafraum, um gegnerische Einschussgelegenheiten zu vereiteln.

Arroganz als Stärke

Neben seiner spielerischen Qualität ist Jones auch einer dieser Spieler, die ein natürliches Selbstvertrauen und eine gewisse Arroganz in sich haben. Dies hilft ihm sicherlich, sich in der Premier League zurecht zu finden. Regelmäßig geht Jones in den Trashtalk mit seinen Gegnern und gibt ihnen zu verstehen, dass er ihnen überlegen ist, einfach weil er Spieler des Meisters ist.

Die eigenen Fans lieben diese Attitüde an ihm, die Anhänger anderer Mannschaften finden sie – verständlicherweise – nicht so prickelnd. Auch deshalb ist Jones einer dieser Spieler, über dessen wahre Stärke sich Fans verschiedener Vereine nicht wirklich einig werden. Ist er für die Liverpool-Fans der neue Steven Gerrard (40), sehen andere Fans oft nicht mehr als einen zukünftigen Durchschnittsspieler in ihm, der in dieser Saison in erster Linie von Verletzungen seiner Teamkollegen profitiert.

Kommende Saison endgültig Stammspieler?

Dass er sehr von Verletzungen profitiert, steht außer Frage. Neuzugang Thiago Alcantara (29) war nahezu die gesamte Hinrunde verletzt. Jordan Henderson (30) und Fabinho (27) mussten immer wieder in der Innenverteidigung aushelfen. Da auch die eigentlich als erste Alternativen eingeplanten Alex Oxlade-Chamberlain (27) und Naby Keita (26) oft nicht zur Verfügung standen, spielte Jones die gesamte Hinrunde über sehr viel. Im Dezember durfte er sogar an allen sechs Ligaspielen mitwirken, in fünf davon stand er in der Startelf. Und so steht Jones bereits jetzt bei über 1.800 Spielminuten in allen Wettbewerben. Zum Vergleich: Trent Alexander-Arnold (22) bekam in seiner Durchbruchssaison 2.650 Minuten. Es kann also durchaus sein, dass Jones diese Marke noch überspringt.

Photo: Paul Ellis / Imago

Zur kommenden Saison könnte sein Aufstieg dann weiter gehen. Georginio Wijnaldum (30) wird die Mannschaft höchstwahrscheinlich im Sommer ablösefrei Richtung FC Barcelona verlassen. Dazu wird James Milner (35) nicht jünger. Sollten alle Spieler im Kader fit sein, dürften Fabinho und Henderson im Mittelfeld gesetzt sein. Doch wer die dritte Position einnimmt, wird ein offenes bleiben, sollte sich Thiago nicht endlich in England zurecht finden. Der Spanier, der im Sommer 2020 aus Deutschland kam, ist vor allem im Kopf noch zu langsam für die Insel, begeht zu viele dumme Fouls und ist auch im Spiel nach vorne noch nicht die erhoffte Verstärkung.

Sollte Trainer Jürgen Klopp (53), wie bis zur Verletzung von Diogo Jota (24) bereits in dieser Saison angedeutet, auch öfter in einem 4-2-3-1 agieren lassen, wäre Jones sowohl ein Kandidat für die Position des zentral offensiven Mittelfeldspielers als auch – sollte seine defensive Entwicklung so weiter gehen wie zuletzt – für die Doppelsechs.

Auch im Nationalteam wichtig?

Seit der U16 durchläuft Jones sämtliche Junioren-Nationalmannschaften Englands. In die U21 kam der Mittelfeldspieler vier Monate vor seinem 20. Geburtstag. Er gehört daher zu den jüngeren Spielern im Kader. Doch das wird ihn aufgrund seines bereits beschriebenen Charakters nicht davon abhalten, eine Führungsrolle für sich zu beanspruchen.

Im ersten Spiel der Engländer gegen die Schweiz (0:1) kam Jones erst nach 65 Minuten in die Partie. Da der Auftritt der Young Lions extrem uninspiriert war und letztlich zu der verdienten Auftaktniederlage geführt hat, dürfte Trainer Aidy Boothroyd (50) einiges umstellen. Daher kann es sehr gut sein, dass Jones gegen Portugal am Sonntag in der Startelf stehen wird. Und vielleicht kann er auch hier mit seiner enormen Klasse überzeugen.

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Photo: Andrew Yates / Imago

Lukas Heigl

Liebhaber des britischen Fußballs: Von Brighton über Reading und Wimbledon bis nach Inverness. Ist mehr für Spiele der dritten englischen Liga als für den Classico zu begeistern. Durch das Kommentatoren-Duo Galler/Menuge auch am französischen Fußball interessiert


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