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Premier League: City vorne pfui, hinten pfui – (North) London is red

16. Januar 2023 | Trending | BY Chris McCarthy

5 Awards zum 20. Spieltag des Premier League: Was ist mit Manchester City los? Und nicht nur North London is red. Das und mehr:

„Vorne pfui, hinten pfui“-Award: Manchester City

78 Minuten lang war Manchester City gegen Manchester United die (glanzlos) spielbestimmende Mannschaft. Und bis zur 78. Minute sah es auch so aus, als würden die Cityzens das Stadtderby auch mit 1:0 für sich entscheiden. Doch dann passierte es. Der Meister implodierte. ManUtd erzielte binnen vier Minuten zwei Treffer und drehte das Spiel. Wie konnte es dazu kommen?



Zunächst Ehre, wem Ehre gebührt: Die Mannschaft von Erik ten Hag lieferte eine gute Vorstellung. Es war kein Fußballfest, das die Red Devils abfeuerten, aber das kann man nach 28 Pflichtspielen unter dem Niederländer auch nicht erwarten. Zu zerrüttet war die Basis, als er ankam. Dafür präsentiert sich ManUtd nun wieder wie ein Team. Einsatz, Kommunikation und Organisation waren am Samstag überragend, sodass das Team von Pep Guardiola nicht sein Spiel aufziehen konnte. Und dennoch waren eine große Portion Glück und Eigenverschulden des Gegners hauptverantwortlich, dass United am Ende als Sieger aus dem Spiel ging.

Manchester City: Pech und Unvermögen

Da haben wir den Faktor Glück: Keine Frage: Der richtungsweisende Ausgleich durch Bruno Fernandes hätte nicht zählen dürfen. Marcus Rashford stand im Abseits, berührte den Ball zwar nicht, bis der Portugiese abschloss, griff nach IFAB-Reglement aber aktiv ein, indem er durch seine Bewegungen Torwart und Gegenspieler beschäftigte.

Unvermögen: Die wahren Gründe für die Pleite ManCitys waren jedoch identisch zu denen der anderen fünf (!) Punktverluste, die sich diese Saison bereits geleistet wurden: vorne pfui, hinten pfui. Ein überraschendes Statement, für eine Mannschaft, die die meisten Tore der Premier League (46) erzielt und Erling Haaland in seinen Reihen hat. Und dennoch wirkt City diese Saison zu oft wie ein stumpfes Messer.

  • Vorne Pfui: ManCity dominiert quasi jeden Gegner, verwandelt sich im letzten Drittel aber zu oft in eine Handballmannschaft, anstatt den Strafraum zu attackieren. Haaland machte trotz geringer Ballkontakte gegen United ein gutes Spiel, fand trotz der kompakten Defensive immer wieder Räume. Er wurde aber schlichtweg nicht gefunden oder angespielt. ManCity hatte am Ende 71 Prozent Ballbesitz aber nur fünf Abschlüsse.
  • Hinten Pfui: Manuel Akanji und Nathan Aké sind solide Innenverteidiger, aber lange nicht Ruben Dias und John Stones, die am Samstag beide passen mussten. Und fallen gleich beide aus, hat City ein Problem. Akanji und Aké wirkten unsicher, gedanklich zu langsam und schienen in Sachen Organisation und Kommunikation nicht die gleiche Sprache zu sprechen. Insbesondere beim 1:2 kam alles zusammen.

Problem zwei ist temporär, Dias und Stones werden bald zurückerwartet. Problem eins dagegen flackert trotz der herausragenden Individuen im Angriff diese Saison zu oft auf und muss schleunigst in den Griff bekommen werden.

„(North) London is red“-Award: FC Arsenal

North London is red. Nein, nicht nur wegen dem Derby-Sieg. Streng genommen ist 2022/2023 sogar ganz London rot, so gewaltig ist der Vorsprung auf die Konkurrenz in der Landeshauptstadt.

Doch der Unterschied zwischen dem FC Arsenal und den Tottenham Hotspur wurde am Sonntag besonders deutlich. Ehe die Gunners in den Verwaltungsmodus schalteten, lieferten sie im ersten Durchgang eine absolute Machtdemonstration und führten den bitteren Rivalen im eigenen Stadion regelrecht vor. Besonders auffällig:

  • Das Positionsspiel, das Mikel Arteta seiner jungen Mannschaft eingeimpft hat, ist vielseitig und makellos – wie Linksverteidiger Oleksandr Zinchenko in sämtlichen Bereichen des Feldes für Überzahlmomente sorgt, ist beinahe unfair.
  • Das Kombinationsspiel ist die direkte Folge davon. Einstudiert und kreativ und dennoch so unvorhersehbar, flüssig und schnell
  • Die Pressingmomente sind clever gewählt und werden schonungslos mit höchster Intensität ausgeführt

Ja, der FC Arsenal hat mittlerweile eine Stammelf mit herausragenden Individuen wie Thomas Partey, Martin Ödegaard oder Bukayo Saka. Und dennoch ist es das Kollektiv, das den Tabellenführer so stark macht. Ein Kollektiv, so ausgereift und von dem die Spurs eher Jahre als nur 14 Punkte entfernt sind.

„Kopfball-Ungeheuer“-Award: Kai Havertz

Es sind turbulente Wochen beim FC Chelsea. Die wilde Transferstrategie des Sommers – die durch die 100-Millionen-Euro-Verpflichtung von Mychajlo Mudryk nicht sinnvoller wirkt – hat die Blues eingeholt. Und dass Trainer Graham Potter mit einem unbalancierten Kader ohne Vorbereitung von heute auf morgen keine Wunder vollbringt, ist wenig überraschend. Von den Verletzungen ganz zu schweigen.

Immerhin reichte es am Sonntagabend zum ersten Ligasieg des Jahres 2023 – erst der zweite Dreier seit Oktober. Matchwinner war der deutsche Nationalspieler Kai Havertz, der einmal mehr eine unterschätzte Komponente seines Spiels einsetzte – den Kopfball. Nach einer kurzen Ecke drückte er in der 64. Minute eine Hereingabe von Hakim Ziyech zum verdienten 1:0 ins linke Eck. Einzig Harry Kane (11) hat seit Beginn letzter Saison mehr Kopfballtore erzielt als Havertz (6).

Chelsea verkürzt den Rückstand auf Platz fünf auf fünf Zähler.

„Mr. Zweite Halbzeit“-Award: Solly March

Das Überraschende am 3:0-Erfolg Brighton & Hove Albions über den FC Liverpool war, dass er gar nicht mal so überraschend war. So beeindruckend präsentiert sich die homogene und eingespielte Truppe der Seagulls, die seit der Ankunft von Roberto De Zerbi sogar noch einen weiteren Schritt nach vorne gemacht zu haben scheint. Und: So sehr sind die Reds von Jürgen Klopp 2022/2023 neben der Spur. Über die Gründe sprachen wir im Detail vor zwei Wochen.

Brighton war über 90 Minuten lang das bessere Team, was sich auch in der Statistik ablesen lässt: 61% Ballbesitz, 16:6 Abschlüsse, 9:2 aufs Tor! Die Treffer fielen aber erst in der zweiten Hälfte. Betrachtet man den Doppelschützen, ist das auch kein Wunder: Solly March ist wortwörtlich „Mr. Zweite Halbzeit“.

Beim 1:0 staubte er nach toller Vorlage des starken Kaoru Mitoma ab, das 2:0 war ein präziser Abschluss mit links ins lange rechte Eck. Das sehenswerte 3:0 von Danny Welbeck legte er übrigens auch noch auf. Für den 28-jährigen March waren es jedenfalls seine Premier-League-Tore sieben und acht – alle davon erzielte er in zweiten Halbzeiten.

„David Beckham“-Award: James Ward-Prowse

Das Duell zwischen den beiden Kellerkindern Everton und Southampton war Abstiegskampf pur. Dabei zeigten beide Teams (Everton beleuchteten wir vor zwei Wochen), warum sie erneut und zurecht unten drin stecken. Glücklicherweise für die Saints, haben sie ein Ass im Ärmel: James Ward-Prowse.

Der 28-jährige Engländer erzielte nicht nur mit viel Finesse das 1:1 nach 46 Minuten, sondern holte in der Schlussphase einmal mehr seinen inneren David Beckham heraus. 78. Minute, Freist0ß aus halblinker Position, etwa 20 Meter vor dem Tor. Wie Beckham einst gegen Griechenland in der WM-Quali 2002, nahm Ward-Prowse in der Crunchtime Maß und zirkelt den Ball mit seiner makellosen Schusstechnik zum 2:1 in die Maschen. Ein Tor, mit Sechspunkte-Wirkung, denn Southampton zieht dadurch mit Everton gleich (je 15 Zähler) und verkürzt den Abstand auf das rettende Ufer auf einen Punkt.

Für Ward-Prowse war es übrigens der 16. direkt verwandelte Freistoß in der Premier League, zu Beckhams Rekord fehlen nur noch zwei.

(Photo by Michael Regan/Getty Images)

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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