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Premier League: Warum das Ronaldo-Aus folgerichtig und Nunez kein Flop ist

21. Oktober 2022 | Spotlight | BY Chris McCarthy

Anpfiff für Manchester United und Schlusspfiff für Cristiano Ronaldo? Außerdem: Darwin Nunez vom FC Liverpool ist kein Flop. Das und mehr in den Erkenntnissen zum 12. Spieltag der Premier League. 

Schlusspfiff für Ronaldo und Anpfiff für Manchester United? Ten Hag handelt korrekt

Manchester United hat unter Erik ten Hag bereits Liverpool und Arsenal geschlagen, doch der 2:0-Sieg gegen Tottenham war mit Abstand der vielversprechendste seiner kurzen Amtszeit. Für den strauchelnden Klub vielleicht der vielversprechendste seit Jahren. Wieso?



Ließ der Niederländer die Red Devils nach dem horrenden Saisonstart nicht nur gegen diese zwei Top-Teams wie ein Außenseiter spielen – wenig Ballbesitz, viel Pragmatismus und Konter – folgte am Mittwoch ein wichtiger Entwicklungsschritt: Manchester United agierte statt zu reagieren und das gegen einen Hochkaräter. Die Spurs, die zugegebenermaßen auf ganzer Linie enttäuschten und Zweifel an ihrer Qualität nährten, wurden von einem entschlossenen United mit 28:9 Schüssen komplett eingeschnürt. Ein United, das erstmals seit Ewigkeiten, vielleicht sogar seit Sir Alex Ferguson, wieder mit einer positiven und klaren Identität spielte: Es war dominanter, mitreißender Fußball, mit großem Zug zum Tor, sowie hoher Intensität mit und ohne den Ball.

Letzteres ist für Ten Hags Fußballphilosophie elementar, gehört allerdings nicht zu den Stärken eines 37-jährigen Cristiano Ronaldo, weshalb er zurecht wieder 90 Minuten auf der Bank saß. Naja fast, denn bevor Schiedsrichter Simon Hooper am Mittwoch ein letztes Mal Luft holte, um in die Pfeife zu blasen, war er bereits wie ein beleidigtes Kind in die Kabine gestampft. Während es für Manchester United abzuwarten bleibt, ob dies der Anpfiff einer erfolgreichen Ära war, dürfte es für Cristiano Ronaldo der Schlusspfiff seines zweiten Engagements bei den Red Devils sein. Am Donnerstag reagierte Ten Hag und strich den Portugiesen aus dem Kader. Und damit hat der 52-Jährige absolut richtig gehandelt.

Seit 20 Jahren steht der fünffache Weltfußballer im Rampenlicht, er weiß genau, was für einen Einfluss er hat. Sowohl in den Medien, wo seine Aktion für Schlagzeilen sorgte, als auch in der Kabine, in der noch immer viele Spieler zu ihm hochschauen. An einem Abend, an dem endlich wieder eine legitime Euphorie um den Verein entfachte, solch ein Störfeuer zu platzieren, ist nicht nur egoistisch sondern schädlich. Für die Autorität des Trainers, das Mannschaftsklima und die Entwicklung Manchester Uniteds zurück zu einem Spitzenverein. Der Klub sollte das Kapitel endgültig beenden.

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Liverpool: 80-Millionen-Mann Nunez ist kein Flop

Trotz des 1:0-Erfolgs über Manchester City vergangene Woche, gab es für den FC Liverpool im Anschluss einiges an Hohn und Spott. Der Tenor in den Pubs und sozialen Netzwerken: „Wie kann man 80 Millionen Euro für Darwin Nunez ausgeben?“

Nach einem enttäuschenden Einstand in der Premier League, indem er mehr Spiele durch eine Rotsperre aussetzen musste (3) als Tore erzielte, folgte gegen die Cityzens der sportliche Tiefpunkt. Ob durch Abschlussschwäche, die falsche Entscheidung oder schlichtweg Unbeholfenheit, gleich drei aussichtsreiche Gelegenheiten zur Vorentscheidung ließ Nunez gegen die Cityzens aus. Dabei ging völlig unter, dass sich der große Angreifer mit Antizipation und guten Bewegungen überhaupt erst in diese Situationen brachte. Und das mit sieben Ballkontakten.

Gegen West Ham diesen Mittwoch zeigte er nun eindrucksvoll, dass durchaus mehr in ihm steckt.  Sein Führungstreffer war ein technisch perfekter, wuchtiger Kopfball. Kurz darauf drosch der nun sichtlich selbstbewusstere Nunez nach starker Brustannahme den Ball mit links aus 16 Metern an den Pfosten. Er war ein ständiger Unruheherd und hätte bei seinen sechs Abschlüssen wohl mindestens ein weiteres Tor erzielen müssen.

Aber das ist Nunez mit gerade erst 23 Jahren derzeit nun einmal: ein ungeschliffener Diamant. „Er hat so viel Potenzial. Er ist noch jung und lernt, er lernt, wie man spielt und lernt Englisch“, betonte Virgil Van Dijk nach der Partie bei der BBC. „Er ist ein moderner Stürmer, der den Verteidigern viele Probleme bereitet. Man konnte heute sehen, dass seine Läufe nach hinten und sein Aufbauspiel immer besser werden.“

In seiner ersten Saison in einer europäischen Top-Liga, wäre Nunez nicht der erste Stürmer, der eine gewisse Anlaufzeit braucht. Die Körperlichkeit und Dynamik für die Premier League hat er. Ebenso den Instinkt. Fehlen noch Finesse und Kaltschnäuzigkeit.

Liverpool-Stürmer Darwin Nunez feiert das 1:0 gegen West Ham in der Premier League

(Photo by NIGEL RODDIS/AFP via Getty Images)

Aston Villa: Für Gerrard wurde der Druck zu groß

Erst am Montag betonten wir an dieser Stelle, dass Steven Gerrard das Ruder bei Aston Villa noch rumreißen könnte. So überzeugend war der Auftritt gegen Chelsea – trotz einer Niederlage. Am Donnerstag aber folgte eine 0:3-Pleite gegen Aufsteiger Fulham. Das Fass war übergelaufen, der 42-Jährige musste gehen. Am Ende hatte der Klub keine andere Wahl.

Statt nach Sommerausgaben im Bereich von 70 Millionen Euro zumindest um die europäischen Plätze der Premier League zu konkurrieren, stehen die Villans auf dem viertletzten Platz, drei Zähler vor Schlusslicht Nottingham. Besorgniserregender aber war die Tatsache, dass es dem einst so mitreißenden Mittelfeldspieler nicht gelang, die Fans in seinen Bann zu ziehen. Im Gegenteil, die Schmähgesänge hatten Überhand genommen. Eine ungewohnte Situation für ihn, genießt er doch bis heute Legendenstatus – als Spieler beim FC Liverpool und als Trainer bei den Glasgow Rangers, wo er die Dominanz des Erzrivalen Celtic unterbrach.

Den Fans von Aston Villa war sein Fußball zu destruktiv, ein klarer Plan nicht zu erkennen. Zugegeben, die Ausfälle von Diego Carlos und Boubacar Kamara machten es Gerrard nicht leichter. Allerdings macht er sich selbst das Leben schwer: mit der Entscheidung, Tyrone Mings die Kapitänsbinde zu entziehen, sowie immer wieder Stil und Formation zu verändern. Egal was er tat. Die Ergebnisse blieben aus. Selbst bei den wenigen guten Leistungen, wie eben gegen Chelsea.

Kurzpässe zum 12. Spieltag der Premier League

Ralph Hasenhüttl ist (erstmal) sicher. Der FC Southampton feierte am Mittwoch beim 1:0 über Bournemouth den ersten Sieg in sechs Spielen und sicherte damit den Job des österreichischen Trainers. Ausschlaggebend dafür war ein pragmatischer und defensiver Auftritt, der zur ersten weißen Weste in 17 Spielen führte. Und das ohne den verletzten Amel Bella-Kotchap, der hervorragend von Duje Caleta-Car ersetzt wurde. Obwohl die Saints die Abstiegsplätze verlassen haben, darf sich Hasenhüttl nicht all zu sicher fühlen: Als nächstes steht ein Auswärtsspiel bei Tabellenführer Arsenal an.

Brighton: alte Probleme mit neuem Trainer: Unter Graham Potter spielten die Seagulls trotz begrenzter Mittel, dafür aber mit fantastischer Scouting- und Trainerarbeit einen extrem attraktiven Fußball. Ein Problem hatten seine Mannschaften aber immer: die Chancenverwertung. Mittlerweile steht Potter bei Chelsea an der Seitenlinie. Und während Brighton einmal mehr sein Fachwissen unter Beweis stellte und mit Roberto de Zerbi einen Trainer einstellte, der die Spielweise Potters nahtlos fortsetzt, kann auch der Italiener des Fehlen eines Knipsers nicht kompensieren: Am Dienstag gegen Nottingham Forest blieben die Seagulls auch im vierten Spiel unter der Leitung des Italieners sieglos (0:0) und das trotz klarer Überlegenheit (19:3 Schüsse, 2.10 zu 0.20 xG). Seit Zerbis Ankunft hat kein Team seine xG (3 Tore bei 7,23)- und xPts-Werte (2 statt 7,52) stärker unterboten als Brighton.

Wilfried Zaha blüht als Führungsspieler auf. In den letzten sieben Jahren gab es kaum einen Sommer, in dem der Angreifer nicht mit einem Wechsel in Verbindung gebracht wurde. Immer wieder blockte Crystal Palace ab, oder Interessenten wurde durch Vertragsverlängerungen und Formschwankungen abgeschreckt. 2022/2023 erleben wir nun einen reiferen Zaha. Mit 29 Jahren ist er in der erfrischenden Mannschaft von Patrick Vieira absoluter Führungsspieler. Die Rolle scheint ihn zu beflügeln: Beim 2:1 über die Wolves war er mit seinem fünften Saisontor der Matchwinner. Im Kalenderjahr 2022 haben nur Harry Kane, Heung-min Son, Ivan Toney und Erling Haaland mehr Tore geschossen als Zaha (14).

(Photo by Laurence Griffiths/Getty Images)

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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