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Premier League: Liverpool hat es, ManCity ist menschlich und wie gut ist Tottenham?

17. Oktober 2022 | Spotlight | BY Chris McCarthy

Ist der FC Liverpool nach dem Sieg über Manchester City plötzlich wieder im Titelrennen? Wie gut ist Tottenham? Das und weitere Erkenntnisse vom 10. Spieltag der Premier League. 

Liverpool hat „es“ noch – ManCity und Haaland sind menschlich

90 Minuten lang geriet am Sonntag in Vergessenheit, dass der FC Liverpool vor dem Duell mit Manchester City ganze 13 Punkte Rückstand auf den Meister hatte. Nur eine Woche, nachdem Jürgen Klopp den Titel abhakte, legte sein Team eine Vintage-Liverpool-Performance hin und gewann verdient mit 1:0. Da war sie wieder, die unfassbare Intensität ohne den Ball, die konzentrierte, aggressive und entschlossene Verteidigung gegen Mann und Raum sowie die gefährlichen Angriffe in die Tiefe.



Ist Liverpool nun wieder im Titelrennen? Wohl kaum. Nicht nur, weil es die größte Aufholjagd in der Geschichte der Premier League bräuchte. Sondern auch, weil eben jene Form- und Verletzungsprobleme, die zuvor nur zwei Siege zuließen, nicht durch ein Spiel vor einer elektrisierenden Kulisse aus der Welt sind. Dass sie „es“ noch haben, haben die Reds immer wieder angedeutet. Der Sieg über Manchester City war dahingehend ein Statement. Können sie das konstant zeigen? Das sind sie uns noch schuldig.

Kommen wir zu Manchester City. Ja, Pep Guardiola war nach dem Spiel ausser sich. Einige Liverpool-Fans hatten angeblich mit Münzen nach ihm geworfen, darüber hinaus wurde das vermeintliche 1:0 der Cityzens wegen eins Fouls in der Entstehung aberkannt – hart, aber wohl nicht ganz unvertretbar.

Vor allem aber dürfte es den Spanier genervt haben, dass seine Mannschaft menschlich wirkte, nach dem sie wochenlang wie eine Maschine Punkte und Tore in Serie produzierte. Das 0:1 entstand durch einen Ausrutscher Joao Cancelos, und überhaupt fehlte es ManCity an diesem Tag trotz Balldominanz an der letzten Konzentration und Präzision im letzten Drittel. Das gilt auch für Erling Haaland, der erstmals seit dem 13. August ohne Torerfolg blieb und einige Chancen ausließ.

Kein Grund zur Panik für Manchester City, das trotz nun vier Punkten Rückstand auf Arsenal immer noch der klare Favorit auf den Titel ist (hier geht es zur Tabelle). Aber vielleicht ein ermutigendes Zeichen für die nationale und internationale Konkurrenz.

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Wie gut ist Tottenham?

23 Punkte nach zehn Spielen, der beste Saisonstart seit 1963: Sind die Tottenham Hotspur etwa ein Titelkandidat? Immerhin sind sie gleichauf mit Titelfavorit Manchester City.

„Die Spurs sind unter Conte ein anderes Tier“, twitterte der ehemalige Tottenham-Stürmer Gary Lineker nach dem 2:0-Heimsieg der Spurs über den FC Everton am Samstag. „Taktisch klug und viel widerstandsfähiger. Es gibt noch Arbeit, aber es gibt vielversprechende Anzeichen.“

All das stimmt. Und trotzdem gibt es Zweifel. Denn anders als die Gunners oder die Cityzens, würde der visuelle Eindruck alleine nicht vermuten lassen, dass Tottenham zu der elitären Dreiergruppe der Premier League gehört. Die Leistungen bisher waren nämlich eher mäßig, aber effizient, was vor allem Harry Kane (neun Tore) zu verdanken ist.

Auch gegen Everton hätten sich die Spurs nicht beschweren können, wenn sie mit einem Rückstand in die Pause gegangen wären. Bei den 1:0-Siegen gegen Brighton und Wolverhampton, ja sogar beim 6:2 gegen Leicester (ehe Heung-min Son aufdrehte und die Foxes implodierten) hatte der Gegner jeweils mehr Spielanteile und Abschlüsse. In Topspielen gegen Arsenal (1:3) und Chelsea (2:2) sahen die Spurs sehr durchschnittlich aus. Und dennoch haben sie 23 Punkte gesammelt. Auch das ist die Qualität einer Spitzenmannschaft, vor allem, wenn sie noch nicht in Topform ist.

Doch genau das ist die Frage: Kommt da noch mehr? Dann müsste man sich vor diesen Spurs in Acht nehmen. Oder ist das Contes (pragmatischer) Plan? Den Gegner zu neutralisieren statt an die Wand zu spielen. Defensiv kompakt stehen, schnell umschalten und vorne auf Kane und Son vertrauen. Letzteres wäre nicht gerade vielversprechend.

Fakt ist, dass wir zu diesem Zeitpunkt der Saison schlichtweg nicht wissen, wie gut dieses Team ist. Tottenham hat folglich etwas zu beweisen, am Mittwoch auswärts gegen Manchester United bietet sich eine gute Gelegenheit dazu.

Tottenham-Trainer Antonio Conte feiert den 2:0-Sieg über Everton

(Photo by Julian Finney/Getty Images)

Aston Villa: Steven Gerrard kann das Ruder noch rumreißen

Neun Punkte nach zehn Spielen: Aston Villa hat unter Trainer Steven Gerrard den zweitschlechtesten Saisonstart seiner Premier-League-Geschichte hingelegt. Die Erwartungen im Umfeld waren mindestens ein einstelliger Tabellenplatz, die Realität lautet im Oktober Platz 16.

Kein Wunder, dass die „Gerrard out“-Sprechchöre auch am Samstag gegen Chelsea im Villa Park zu hören waren. Dabei zeigte der ehemalige Mittelfeldspieler des FC Liverpool mit seiner Mannschaft die wohl beste Leistung der bisherigen Saison. Die Villains spielten mutigen, zielstrebigen und direkten Fußball gegen die Blues. Und wäre es nicht für zwei individuelle Fehler, die zu den Toren führten, zwei eigenen Aluminium-Treffern, einen herausragenden Kepa im Tor des FC Chelsea und einer großen Portion Pech und Unvermögen im Abschluss – Aston Villa wäre womöglich als Sieger vom Feld gegangen. Und das wäre keinesfalls unverdient gewesen. 2,45 zu 1,24 expected Goals bestätigen den Eindruck.

Fußball bleibt allerdings ein Ergebnissport (drei Euro in das Phrasenschwein) und nach den vielen zahnlosen Auftritten in dieser Saison ist die Geduld der Anhänger verständlicherweise überstrapaziert. Das couragierte Lebenszeichen gegen Chelsea zeigt aber, dass Gerrard das Ruder rumreißen kann. Dafür braucht der Engländer jedoch einen Sieg am Donnerstag gegen Fulham.

Kurzpässe zum 10. Spieltag der Premier League

Kaum ein Spieltag vergeht ohne VAR-Kontroverse. Vielleicht war das auch ein Grund, warum viele Fans des FC Arsenal am Sonntag das Spiel bei Leeds gerne ohne das technische Hilfsmittel über die Bühne gebracht hätten, als an der Ellen Road der Strom ausfiel. Sie hätten es bereut. Denn ohne VAR hätte es wohl nicht den neunten Sieg im zehnten Spiel gegeben – Startrekord für die Gunners. Nach der schwächsten Leistung der Saison hatte das Team von Mikel Arteta große Mühe, die 1:0-Führung über die Zeit zu bringen. Kurz vor Schluss gab es dann Elfmeter – zum zweiten Mal in der Partie. Patrick Bamford war nach einem Gerangel mit Gabriel (oskarreif) zu Boden gegangen. VAR hatte allerdings erkannt, dass Bamford die Szene durch ein Foul eingeleitet hatte. Der Elfmeter und die Rote Karte für Gabriel wurden aberkannt und Arsenal fuhr mit drei glücklichen Punkten nach Hause.

Bournemouth sollte Gary O’Neil fest einstellen. Am 30. August nach der 0:9-Demontage bei Liverpool als Interimslösung für den entlassenen Scott Parker eingestellt, hat O’Neil den Cherries mehr als nur Stabilität eingehaucht. Am Samstag folgte beim 2:2 gegen Mitaufsteiger Fulham die nächste gute Leistung. Seine Bilanz: Sechs Spiele, zwei Siege und vier Unentschieden. Macht ein Punkteschnitt von 1,67, was Champions-League-Niveau wäre. Nein, das heißt nicht, dass Bournemouth unter seiner Leitung nicht mehr als ein Abstiegskandidat ist. Nichtsdestotrotz fragt man sich, warum die sportliche Leitung nicht endgültig auf O’Neil setzt.

Toney ist ein Mann für England. Beim 2:0-Erfolg über Brighton war Ivan Toney erneut der Mann des Tages für Brentford. Der 26-jährige Engländer erzielte per Hacke das 1:0 und erhöhte dann vom Elfmeterpunkt – noch nie hat Toney einen Elfmeter in der Premier League verschossen. Am beeindruckendsten ist aber, dass der Stürmer nun bei acht Saisontoren steht. Einzig Haaland (15) und Kane (9) haben mehr. Letzterer bringt uns zum Thema: Für Englands Nationaltrainer Gareth Southgate dürfte in Hinblick auf die WM in Katar kein Weg an Toney vorbeiführen: Er ist spielintelligent, geschickt im Kombinationsspiel und vor allem treffsicher – von allen englischen Stürmern hat nur Kane (21) im Jahr 2022 mehr Tore in der Premier League erzielt. Der perfekte Backup also?

 (Photo by Laurence Griffiths/Getty Images)

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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