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Premier League: Ist Arsenal ein Titelkandidat? Liverpools Gewissheit & Chelseas Hoffnung

11. Oktober 2022 | Spotlight | BY Chris McCarthy

Premier League | Der FC Arsenal festigte durch einen Statement-Sieg über den FC Liverpool am neunten Spieltag die Tabellenführung. Doch sind die Gunners ein Titelkandidat? Außerdem: Gewissheit für Liverpool und Hoffnung für Chelsea. 

Arsenal ist die beste Mannschaft der Premier League…nach Manchester City

Eines Vorweg: Ja, bei der Partie zwischen dem FC Arsenal und dem FC Liverpool gab es am Sonntag einige strittige Szenen – auf beiden Seiten. Doch das ändert nichts an der Tatsache, dass die Gunners als absolut verdienter Sieger aus dem Topspiel hervorgingen. Das zeigen alleine die expected Goals (2,82 zu 0,77).



Nach einer wechselhaften ersten Hälfte, in der sich die zweitjüngste Mannschaft der Premier League augenscheinlich selbst nicht so sicher war, wie gut sie ist, nahm sie nach dem Seitenwechsel das Heft entschlossen in die Hand. Arsenal schnürte den Vizemeister phasenweise komplett ein, ließ Liverpool keine Luft zum Atmen und erzwang förmlich den 3:2-Sieg.

Die Mannschaft von Mikel Arteta bewies nicht nur im zweiten Spiel in Folge, dass sie auch die Top-Mannschaften der Liga schlagen kann, sondern eroberte auch die Tabellenführung zurück. Erst eine Partie hat Arsenal in dieser Saison nicht gewonnen, und das war eine vermeidbare Niederlage bei Manchester United. Doch sind die Gunners tatsächlich ein ernsthafter Titelkandidat?

Wahrscheinlich nicht. So beeindruckend die kulturelle und spielerische Entwicklung der Gunners im nun dritten Jahr unter Mikel Arteta auch ist, sie ist noch nicht abgeschlossen. Das junge Team hat noch immer gewisse Defizite in Sachen Fehlerpotential sowie Killerinstinkt (was normal ist) und ist weiterhin sehr von Taktgeber Thomas Partey oder Offensivkatalysator Gabriel Jesus im Sturm abhängig. Mit der ersten Elf, der Kadertiefe und der seit Jahren ausgereiften Spielweise von Manchester City kann es Arsenal keinesfalls aufnehmen. Vom wandelnden Cheatcode Erling Haaland ganz zu schweigen.

Trotzdem: Nach neun Spieltagen hat Arsenal immerhin die zweitbeste, weil konstanteste und nachhaltigste Spielanlage und -umsetzung der Premier League vorzuweisen. Alleine die Rückkehr in die Champions League, die ohne gravierende Verletzung Formsache sein sollte, wäre nach sechs Jahren Abwesenheit ein Erfolg und der nächste Schritt. Denn wer weiß, was noch folgen kann, wenn die Entwicklung tatsächlich mal abgeschlossen ist.

 

FC Liverpool: Die Meisterschaft ist gelaufen

Zugegeben, bei nun 14 Punkten Rückstand auf die Tabellenspitze ist es nicht die bahnbrechendste Erkenntnis. Aber für den FC Liverpool dürfte nach der Pleite bei Arsenal nun Klarheit herrschen: Die Meisterschaft ist gelaufen. Nicht, weil die Reds für ein Comeback das größte Punktedefizit in der Geschichte der Premier League aufholen müssten und Manchester City auf einem anderen Level ist. Sondern weil sie weiterhin keine Zuversicht ausstrahlen, dass sie in absehbarer Zeit die Kurve kriegen werden.

Erst zwei Saisonsiege stehen nach neun Spielen zu Buche. Auch gegen die Gunners waren die Probleme dafür zu erkennen, die Liverpool schon die gesamte Saison begleiten: Die einst überwältigende Intensität ist verpufft, was Jürgen Klopps bevorzugtes 4-3-3-System mittlerweile sehr fragil wirken lässt. Zumal einstige Erfolgsgaranten und Ausnahmespieler des letztjährigen Vizemeisters und Champions-League-Finalisten plötzlich sehr gewöhnlich aussehen: Virgil Van Dijk wirkte einmal mehr wie ein Schatten seiner selbst, regelrecht lethargisch. Trent Alexander-Arnold offenbarte erneut ein mangelndes Defensivverständnis und Mohamed Salah wurde von Arsenals Takehiro Tomiyasu komplett abgemeldet.

„Wir sind nicht im Titelrennen“, gestand auch Klopp nach der Partie gegenüber beIN Sports. Denn: „Der Titel ist aktuell nicht unser Problem, wir haben andere Probleme.“ Die gilt es zu lösen, damit die Saison nicht in einer kompletten Enttäuschung endet.

FC Chelsea: Graham Potters Handschrift wird immer deutlicher

So umstritten die Entlassung Thomas Tuchels beim FC Chelsea war, so sicher waren sich die Experten, dass Graham Potter eine exzellente Wahl als Nachfolger sein würde. Das wird nun immer deutlicher.

Am Wochenende holten die Blues nach einem Comebacksieg über Crystal Palace in der Premier League und einem 3:0 über AC Milan in der Champions League mit einem 3:0 über Wolverhampton den dritten Dreier in Folge. Die Wolves waren im ersten Spiel nach der Entlassung Bruno Lages zwar nicht die ultimative Härteprüfung. Doch die Art und Weise war auffällig.

Zum einen war es die Spielweise der Londoner. Es war noch nicht ganz so automatisch und flüssig wie bei Brighton, dafür ist Potter noch nicht lange genug im Amt, doch das Positions- und Passspiel des FC Chelsea überzeugte schon sehr. Die Blues agierten deutlich vertikaler und zielgerichteter als in den Wochen zu vor, ohne Ordnung und Pressing zu vernachlässigen.

Besonders beeindruckend war dabei, dass nicht nur die erste Elf sondern der komplette Kader die Spielidee schnell zu adaptieren scheint. Gegen die Wolves nahm Potter sieben rotationsbedingte Veränderungen vor, ohne signifikanten Qualitätsverlust im Kollektiv. Im Gegenteil, das System holte das Beste aus den Einzelspielern heraus. Neben den Stammkräften Mason Mount (zwei Assists) und Kai Havertz (ein Tor), wussten auch Ergänzungsspieler zu überzeugen. Allen voran Conor Gallagher sowie die Torschützen Christian Pulisic und Armando Broja. Letzterer erzielte sein erstes Tor für den Verein.

 

Kurzpässe zum neunten Spieltag der Premier League

Ronaldo kann es noch immer….aber: Am Sonntag war kurz alles so wie früher: Cristiano Ronaldo wurde auf die Reise geschickt, zog flach aus 15 Metern zum 2:1 Siegtreffer Manchester Uniteds gegen Everton ab und ließ sich gehörig feiern. Es war sein 700. Pflichtspieltreffer. Es war eine Erinnerung daran, dass der fünffache Weltfußballer noch immer über eine extrem hohe Qualität verfügt. Nichtsdestotrotz saß er auch in diesem Spiel zurecht von Beginn an auf der Bank. Denn CR7 passt schlichtweg nicht zu Erik ten Hags pressingorientierter Spielweise. Genau die nachhaltige Entwicklung dieser sollte aber nach Jahren der Identitätslosigkeit (auf und abseits des Platzes) für die Red Devils Vorrang haben. Und eben nicht von einem 37-Jährigen, der spätestens im Sommer weg sein wird, gebremst werden. Egal wer er ist und was er geleistet hat.

Bruno Guimarães gibt Newcastle Champions-League-Qualität. Im Schatten der moralischen Fragezeichen, wird seit der Vereinsübernahme durch ein saudi-arabisches Konsortium beachtliche Arbeit bei den Magpies geleistet. Financial-Fair-Play-Regularien lassen zwar nicht zu, dass Newcastle nur so mit dem Geld um sich werfen kann. Nichtsdestotrotz sollte erwähnt werden, dass die bisherigen Schritte – sei es die Installation von Eddie Howe als Trainer bis zu den Spielertransfers – allesamt schlüssig und mit Weitsicht getätigt wurden. Insbesondere die Verpflichtung von Mittelfeldspieler Bruno Guimarães (42 Millionen Euro, Lyon) war ein Coup. Der Brasilianer brillierte beim 5:1-Erfolg über Brentford mit zwei Treffern, doch es sind sein Elan und Spielverständnis, die den Magpies auf einer der wichtigsten Positionen des Platzes schon jetzt Champions-League-Qualität geben.

West Ham hat seinen Stürmer gefunden. Trotz der guten Entwicklung der Hammers in den letzten Jahren, fehlte es im Angriff oft an Präsenz, Spielwitz und Abschlussqualitäten. All das scheint Gianluca Scamacca zu vereinen. Am Samstag erzielte der 23-jährige Italiener, der für 36 Millionen Euro von US Sassuolo kam, sein sechstes Pflichtspieltor im zwölften Spiel. Ein herrlicher Lupfer zum 2:1-Sieg über Fulham. Scamacca muss noch effizienter werden, hat aber alle Werkzeuge, um ein absoluter Hit im Osten Londons zu werden.

(Photo by Justin Setterfield/Getty Images)

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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