Adana Demirspor: Wie ein Aufsteiger die Süperlig aufmischt

10. Februar 2022 | Trending | BY 90PLUS Redaktion

Adana Demirspor ist Tabellendritter in der türkischen Süperlig, kämpft um die Europa-League-Teilnahme und darf sich sogar noch leise Hoffnungen auf die Champions League machen. Das hat viele verschiedene Gründe.

Adana Demirspor: Frecher Aufsteiger

Im türkischen Fußball führt in der Regel kein Weg an den Istanbuler Vereinen vorbei. Der letzte Meister etwa, der nicht aus der Millionenmetropole kam, heißt Bursaspor und gewann den Titel in der Saison 2009/10. Doch in dieser Saison scheint, zumindest vorübergehend, eine neue Zeitrechnung anzubrechen. Trabzonspor führt die Liga souverän an. Der beste Istanbuler Klub heißt Basaksehir und hat als Fünftplatzierter nur eine Verfolgerrolle inne.

Unter den Emporkömmlingen befindet sich auch ein Aufsteiger: Adana Demirspor. Die vergangene Zweitligasaison hatte das Team von Samet Aybaba auf Platz eins beendet. Genau wie die Verfolger Giresunspor und Samsun übrigens mit 70 Punkten – aber dem besseren Torverhältnis. So durfte der Verein aus der Südtürkei erstmals seit dem Jahr 1995 wieder in der höchsten nationalen Spielklasse antreten. 

Früher Trainerwechsel brachte die Trendwende

Seit September 2021 tut sie das unter der Leitung des Italieners Vincenzo Montella (47). Aybaba hatte seinen Job im August trotz der zurückliegenden Meisterschaft verloren. Dass Streitigkeiten mit dem exzentrischen Stürmer Mario Balotelli (31) der Grund dafür waren, hat Klub-Präsident Murat Sancak damals verneint. Adana hatte aus den ersten drei Spielen unter Aybaba nur zwei Punkte geholt. 

Mit Montella kam in der Folge ein erfahrener Mann, der die „Blauen Blitze“ auf Kurs bringen sollte. Und das gelang ihm. Aus 24 Spielen holte er 14 Siege, dazu fünf Remis. In Punkten ergibt das einen Schnitt von 1,96 – ein starker Wert. Doch Montella, der zuvor schon internationale Topvereine wie die AS Rom, den FC Sevilla oder Milan trainiert hatte, ist noch ein weiterer Coup gelungen, der Aybaba zuvor verwehrt geblieben war. 

Mario Balotelli auf dem Weg zu alter Form

Denn Montella hat es verstanden, das viel gescholtene „Enfant terrible“ Mario Balotelli wieder in die richtige Richtung zu lenken. Sein unbestrittenes Talent hatte der italienische Stürmer im Laufe seiner Karriere immer wieder durch Disziplinlosigkeiten und Skandale in den Schatten gestellt. So war er im Sommer 2021 schließlich als 30-jähriger Wandervogel aus der zweiten italienischen Liga nach Adana gekommen. 

Balotelli Adana

(Photo by Claudio Villa/Getty Images)

Nach seinem Streit mit Aybaba schien es auch dort nicht zu klappen, doch unter Montella zündete er schließlich. Im September startete er eine Serie, traf in vier aufeinanderfolgenden Spielen. Der Italiener wurde immer wichtiger, auch weil er sich wieder voll auf Fußball konzentrieren konnte. Balotelli schraubte seine Bilanz auf zehn Treffer in 20 Ligaspielen, wobei ihm außerdem drei Vorlagen gelangen. Nichtsdestotrotz hat er mit sieben Gelben Karten auch bisher die meisten aller Adana-Spieler kassiert. Ein bisschen Balotelli hat er sich eben doch bewahrt.

Die Belohnung für seine starken Leistungen in der Türkei holte er sich dann schließlich im Januar ab. Italiens Nationaltrainer Roberto Mancini waren Balotellis starke Leistungen nicht verborgen geblieben, sodass er ihn tatsächlich wieder für ein kurzes Trainingslager der Nationalmannschaft nominierte. Balotellis bisher letzter Einsatz datiert aus dem September 2018.

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Adana: Erfahrene Spieler bilden ein Grundgerüst

Der Angreifer ist derweil nicht der einzige Adana-Spieler, den manch einer schon abgeschrieben hatte. Im zentralen Mittelfeld etwa ist Benjamin Stambouli (31) unverzichtbar geworden. In der Saison 2020/21 mit dem FC Schalke 04 sang und klanglos aus der Bundesliga abgestiegen, findet er bei den „Blauen Blitzen“ mehr und mehr zu alter Stärke zurück. Er zieht gemeinsam mit Kapitän Gökhan Inler (37) die Fäden. 

Beide haben, genau wie Balotelli, schon für europäische Topklubs gespielt und international Erfahrungen gesammelt. Gleiches gilt für Birkir Bjarnason (33), der ebenfalls im Sommer in den türkischen Süden gewechselt war. Der Isländer kann auf Einsätze in Champions-, und Europa League, der Serie A und der isländischen Nationalmannschaft zurückblicken. Diese älteren, erfahrenen Spieler bilden das Grundgerüst einer erfolgreichen Mannschaft. 

Junge Leihspieler schlagen voll ein

Ihnen zur Seite stehen einige junge Spieler, die für Furore sorgen. Der Aufsteiger hat sich im Vorfeld der Saison klug verstärkt und einige Planstellen mit Leihspielern besetzt. So konnte Adana etwa Torhüter Arijanet Muric (23) von Manchester City ausleihen. Muric wird zwar im Sommer wieder nach England zurückkehren, hat sich bei den „Blauen Blitzen“ in dieser Saison jedoch einen Stammplatz erkämpft. In 18 Ligaspielen blieb er sechsmal ohne Gegentor. 

Ein zweites Beispiel für die aufstrebende jüngere Generation ist Matías Vargas (24) den Adana von Espanyol Barcelona ebenfalls auf Leihbasis verpflichten konnte. Vargas ist gesetzt, spielt meist sogar von Anfang an. Der Argentinier ist offensiv flexibel einsetzbar und lieferte in 22 Ligaspielen schon vier Tore und neun Vorlagen. Damit ist er, gemeinsam mit Balotelli und Yunus Akgün (21) der beste Scorer im Team.

Auch Akgün ist im Sommer auf Leihbasis zu Adana gekommen. Sein Stammverein Galatasaray Istanbul kämpft in dieser Saison gegen den Abstieg. Im Trikot der „Blauen Blitze“ läuft es für Akgün deutlich besser, sind ihm in 21 Ligaspielen doch schon sieben Tore und sechs Vorlagen gelungen.

Adana hat den Umbruch für sich genutzt

Überhaupt hat Adana einen fast schon beispiellosen Umbruch hinter sich. Inklusive der Leihspieler hatten im Sommer 2021 satte 24 Spieler den Verein verlassen. Dem gegenüber stehen 21 Neuzugänge und fünf Leih-Rückkehrer. Auch im Winter war Adana sehr aktiv, holte acht Neue und verlieh fünf Spieler. Nichtsdestotrotz ist eine Mannschaft zusammengewachsen, die nicht mit 38 nicht nur die zweitmeisten Tore alle Süper-Lig-Mannschaften erzielt, sondern mit 26 auch noch die viertwenigsten kassiert. 

In der Summe ergibt das nach 24 Spieltagen dann Platz drei, den Adana durch das jüngste 3:1 gegen den Abstiegskandidaten Rizespor eroberte. Am Montag (14. Februar) will Adana nun gegen Besiktas den nächsten Dreier einfahren. Gegen Besiktas stellte Adana einst einen Negativrekord auf. Im Jahr 1989 war das, als es ein 0:10 und damit die höchste Niederlage in der Süper-Lig-Geschichte setzte. Doch aktuell sind die Kräfteverhältnisse wieder anders verteilt. Der Vorjahresmeister aus Istanbul ist Siebter – drei Punkte hinter den „Blauen Blitzen“. 

(Photo by FILIPPO MONTEFORTE/AFP via Getty Images)

Tizian Canizales


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