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Bayern-Kaderserie | Der Angriff: Revolution light im Sommer?

26. Februar 2024 | Spotlight | BY Manuel Behlert

Der FC Bayern München steht vor einem größeren personellen Umbruch im Sommer. Auch, weil Thomas Tuchel den Verein spätestens dann nicht mehr als Cheftrainer betreuen wird. In nahezu allen Mannschaftsteilen und auf allen Positionen wird eine detaillierte Bestandsaufnahme vorgenommen, um im nächsten Schritt zu entscheiden, wo und wie gehandelt wird. 

FC Bayern: Veränderungen im Sommer sind notwendig

Gründe, die dazu führten, dass es dem Kader aktuell an Homogenität, aber auch einer ganz klaren, stringenten Ausrichtung fehlt, gibt es reichlich. In den letzten Jahren wurden einige Fehler gemacht, die aufeinander aufbauten. Das führte dazu, dass es aktuell nahezu in jedem Mannschaftsteil Nachholbedarf gibt. Sei es bei der aktuell vorhandenen Qualität, der Ausrichtung für die kommenden Jahre oder gar beide Komponenten kombiniert. Vieles, wenn nicht gar alles, hängt miteinander zusammen. Die Entscheidung, ob ein Spieler seinen Vertrag verlängert oder nicht, hat Auswirkungen auf die Planung. Deswegen müssen die Verantwortlichen sehr viele Elemente gleichzeitig im Blick haben und verschiedene Szenarien entwerfen.

 



Ein solch komplexes Thema bedarf natürlich der Betrachtung aus verschiedensten Blickwinkeln, angefangen bei der Ausgangslage für den Sommer, die wir zuerst beleuchteten. Anschließend ging es um die Situation im Tor, dort muss nämlich perspektivisch gehandelt werden, um die Neuer-Nachfolge vorzubereiten. Kompliziert könnte es indes erneut in der Defensive werden, hier stehen einige Entscheidungen an. Vieles hängt dabei auch von Alphonso Davies und seiner Zukunft ab. Interessant könnte es vor allem im Mittelfeld werden, wo noch eine klare, echte „6“ gesucht wird. Zudem ist unklar, was mit Joshua Kimmich passiert. Ihn zu stärken muss das Ziel des Rekordmeisters sein, wie wir bereits analysierten.

Was noch fehlt ist der Angriff. Und darum soll es in diesem Teil der Serie gehen.

FC Bayern: Die beste Offensive der Liga, aber…

Zunächst einmal soll dabei die Ausgangslage im Offensivbereich unter die Lupe genommen werden. In der Bundesliga schoss der Rekordmeister schon mehr als 60 Tore, stellt den besten Angriff der Liga und auch den besten Torschützen, nämlich Harry Kane. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Denn auffällig ist, dass bisher kaum ein Spieler über die gesamte Saison hinweg konstant auf einem hohen Niveau performte. Hinzu kommt, dass der zweitbeste Schütze nach Kane, nämlich Leroy Sané, schon monatelang auf einen Treffer wartet. Bayern ist zwar nicht leicht auszurechnen, gerade weil besagter Kane durch seine guten Bewegungen und das Zurückfallen in das Mittelfeld eine neue Komponente eingebracht hat, aber vom Optimum des Ertrags ist das Team auch weit entfernt.

Bayern Kane

(Photo by Matthias Hangst/Getty Images)

Das wird beim Blick auf die xG-Werte umso deutlicher. Während sich Kane weitgehend sehr effizient zeigt und seinen Wert der zu erwartenden Tore übertrifft, ist das Team insgesamt am unterperformen. Konkret: Der xG-Wert ohne Kane liegt laut Understat bei 44,35, wirklich erzielt wurden aber „nur“ 36 Treffer.

Das unterstreicht statistisch, was sich auf dem Feld schon mit dem bloßen Auge erkennen lässt. Viele Offensivaktionen werden am Ende zu unplatziert abgeschlossen. In der Hinrunde waren Sané und Mathys Tel noch in Phasen einigermaßen effizient, anderen Spielern geht das aber komplett und permanent ab. Wichtig ist, zu beachten, dass die Vielzahl an Konter- oder Überzahlsituationen, die ungenau zu Ende gespielt wurden und nicht in einem Abschluss mündeten, gar nicht in dieser Statistik auftauchen. Auch Möglichkeiten wie die von Sané gegen RB Leipzig, als er von Jamal Musiala perfekt in Szene gesetzt wurde, den Torhüter umkurven wollte, aufgrund des spitzen Winkels aber nicht zum Abschluss kam, fließen nicht in die Statistik ein. Die Diskrepanz ist also noch größer.

Kane unantastbar, aber sonst?

Doch was passiert im kommenden Sommer mit dem vorhanden Spielermaterial? Dass Toptorjäger Kane unantastbar ist, sollte außer Frage stehen. Gleiches gilt für Thomas Müller, der seinen Vertrag trotz vermehrter Jokerrolle nicht umsonst bis 2025 verlängert hat. Er wird beim FC Bayern bleiben und versuchen, innerhalb der Kabine ein wichtiger Ansprechpartner zu sein und seine Routine auf den Platz zu bringen, wenn er gebraucht wird. Routine hat auch Eric Maxim Choupo-Moting, doch der Mittelstürmer spielte keine allzu große Rolle mehr, sammelte nur vier Torbeteiligungen in allen Wettbewerben. Dass sein im Sommer auslaufender Vertrag auch das Ende seiner Zeit in München bedeutet, gilt als so gut wie sicher.

Anders sieht es bei Tel aus. Der junge Franzose zeigt sich geduldig, wartet auf seine Chancen und lieferte als Joker schon einige sehr gute Spiele. Zehn Torbeteiligungen in knapp 800 Minuten sprechen eine deutliche Sprache, doch Tel will mehr. Eine Leihe wurde von ihm selbst in der Vergangenheit abgeblockt, ob das weiterhin so bleiben wird, hängt auch vom neuen Trainer und dessen Plänen ab. Gut vorstellbar ist, dass Tel die Choupo-Moting-Rolle mitübernimmt und dadurch automatisch zu mehr Spielzeit kommt.

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Etwas komplizierter ist die Lage auf den Außenbahnen. Über alle drei Spieler lässt sich eigentlich exakt das gleiche Fazit ziehen: Qualitäten sind vorhanden, aber die Konstanz fehlt. Nur eben in unterschiedlicher Ausprägung. Während Sané in der Hinrunde mit Kane der beste Spieler im Trikot des FC Bayern war, sind seine Leistungen 2024 wieder abgefallen. Er denkt zu viel nach, wirkt unsicher, zeigt aber immerhin viel Engagement nach Ballverlusten, sammelt einige Fleißpunkte durch Rückeroberungen. Das Skillset ist vorhanden, Restzweifel bleiben aber, was den „letzten Schritt“ angeht. Von allen drei Kandidaten hat er seinen Platz derzeit am sichersten, aber ganz ausgeschlossen ist ein Verkauf trotzdem nicht.

Gleiches gilt für Kingsley Coman, der bereits deutlich länger als Teamkollege Sané das Trikot des Rekordmeisters trägt. Die Identifikation mit dem Klub, den er einst zum Titel in der Champions League köpfte, ist groß, dennoch ist eine Stagnation nicht von der Hand zu weisen. Diese ist auch bei Serge Gnabry erkennbar, der 2023/24 sehr oft verletzt ausfiel. Der Nationalspieler ist nicht mehr der „rücksichtslose Shooter“, der er mal war, spielt nicht mehr so unbekümmert wie zu seinen besten Zeiten. Drei Spieler, die an einem guten Tag den Unterschied machen könenn, einen solchen aber nicht oft genug produzieren, kann sich ein Topklub eigentlich nur schwer leisten. Zumal alle drei ein sehr hohes Gehalt einstreichen.

Angriff des FC Bayern: Die Veränderung hat schon begonnen

Dass die Verantwortlichen des FC Bayern der Offensive neue Elemente verleihen wollen, zeichnet sich bereits ab. Denn die Veränderungen haben schon begonnen, die ersten neuen Spieler wurden bereits verpflichtet. Dabei handelt es sich um Bryan Zaragoza, der schon jetzt integriert wird. Eigentlich sollte er erst im Sommer zur Mannschaft stoßen, aufgrund der Verletzungen wurde dieser Deal aber vorgezogen. Seine Qualitäten sind umfassend, er ist ein kreativer Dribbler, eine Art Straßenfußballer, wie er jeder Offensive gut tun kann.

Ebenso wird Nestory Irankunda im Sommer nach München wechseln. Der Youngster von Adelaide United ist ein absoluter Spektakelspieler mit einem bärenstarken Abschluss und einem sehr guten Antritt. Aber er ist auch noch sehr unreif in vielen Elementen, wird deswegen erst einmal langsam herangeführt. Die Planungen beim FC Bayern in der Offensive werden aller Voraussicht nach davon abhängen, welcher Spieler den Klub im Sommer abgesehen von Choupo-Moting verlässt. Wie schon erwähnt: Tel könnte mehr im Zentrum eingesetzt werden, Zaragoza übt Druck auf dem Flügel aus. Das alleine sorgt noch nicht für eine deutlich verschärfte Konkurrenzsituation, aber für neue Dynamiken.

Tel Bayern

(Photo by Sebastian Widmann/Getty Images)

Sollte ein Spieler aus dem Trio Sané, Gnabry und Coman wechseln, muss sich zunächst die Frage gestellt werden, mit welchem Spielertyp er ersetzt werden soll: Durch einen klassischen Flügeldribbler, durch einen spielstarken Akteur, vielleicht einen „Halbzehner“, der dem Typus Dani Olmo oder Xavi Simons entspricht oder gar einen hybriden Spielertypen, der beides vereint? Bayern weiß, dass Spieler der allerhöchsten Kategorie kaum von ihren Klubs loszueisen sind. Zudem ist der Klub zwar in der Lage, viel Geld auszugeben, aber es gibt doch einige Baustellen, die Investitionen zur Folge haben. Deswegen erscheint es unrealistisch, das Bayern versucht, Spieler wie Rafael Leao oder Kvicha Kvaratskhelia nach München zu lotsen. 

Spannende Spieler, die einen Einfluss auf die Offensive haben können, gibt es aber dennoch. Ein Michael Olise von Crystal Palace beispielsweise bringt hervorragende Fähigkeiten mit, gerade in engen Räumen kann er den Unterschied ausmachen. Nicht vergessen werden sollte auch Johan Bakayoko von der PSV Eindhoven. Ihm kommt entgegen, dass die Eredivisie eine Offensivliga ist, hier entwickelte er sich hervorragend. Vielleicht könnte auch ein Überraschungskandidat wie Matias Soulé, aktuell von Juventus an Frosinone verliehen, oder Antonio Nusa vom Club Brügge auf dem Zettel stehen. Auch eine Variante, in der ein zweiter Stürmer hinter Kane verpflichtet wird und Tel tatsächlich primär für den Flügel eingeplant wird, lässt sich nicht ausschließen, auch hier hängt vieles vom neuen Trainer ab. In den nächsten Wochen müssen nun verschiedene Szenarien entworfen werden, damit der bestmögliche Stand der Dinge vorherrscht, wenn es im Sommer auf dem Transfermarkt konkret wird. 

(Photo by Boris Streubel/Getty Images)

Manuel Behlert

Vom Spitzenfußball bis zum 17-jährigen Nachwuchstalent aus Dänemark: Manu interessiert sich für alle Facetten im Weltfußball. Seit 2017 im 90PLUS-Team. Lässt sich vor allem von sehenswertem Offensivfußball begeistern.


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