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Premier League: Potters Leiden, Arsenals Geheimnis und kein Popcorn für Klopp

27. Februar 2023 | Spotlight | BY Chris McCarthy

Fünf Awards zum 25. Spieltag der Premier League. Die Krise des FC Chelsea hält an. Arsenal kann sich auf die Jugend verlassen und beim FC Liverpool gibt es ausnahmsweise kein Popcorn. 

„Stotter- statt Potterball“-Award: FC Chelsea

Durch die 0:2-Derbypleite des FC Chelsea gegen die Tottenham Hotspur ist der Druck auf Trainer Graham Potter weiter gestiegen. Dabei war es sein eigener Klub-Besitzer, der ihn durch seine schrotflintenartige Transferphilosophie unnötig erhöht hat.



Nachdem der 47-jährige Trainer bei seiner Ankunft die undankbare Aufgabe hatte, ohne Sommervorbereitung einem wildfremden Kader seine Spielphilosophie einzuimpfen, erhielt er im Winter acht weitere neue Spieler für sage und schreibe über 350 Millionen Euro. Fans und Medien erwarten bei den Ausgaben Ergebnisse.

Aber Potter hat nun einen aufgeblähten Kader, mit Spielern, die entweder um ihre Zukunft fürchten (Raheem Sterling, Mason Mount, Hakim Ziyech), oder sich erstmal in einem neuen Umfeld und auf dem Platz zurecht finden müssen (Mykhaylo Mudryk,  Noni Madueke, David Fofana). Ach, darüber hinaus gibt es noch immer keinen echten Vollstrecker im Sturm. Es ist kein Zufall, dass vor allem die Offensive der Blues kränkelt. So auch bei einem lange kontrollierten, aber letztendlich stumpfen Auftritt gegen die Spurs.

Anders als bei Brighton, als jeder Spieler wusste, wo der Mitspieler steht und die Automatismen wie im Schlaf funktionierten, wirken die Angriffsspieler beim FC Chelsea als hätten sie noch nie zusammen gespielt. Spoiler: Haben sie auch kaum.

Die Blues haben in den letzten zwölf Spielen die wenigsten Tore der Premier League geschossen (6); in den letzten fünf Pflichtspielen lediglich eins. Statt Potterball, gibt es im Westen Londons Stotterball zu sehen. Der Trainer ist zwar nicht unbeteiligt, zu oft wechselt er das Personal, zu utopisch sind vielleicht seine Erwartungen an die Mannschaft. Nichtsdestotrotz kann er für die 14 Punkte Rückstand auf die Top Four noch am wenigsten.

„Young Guns“-Award: FC Arsenal

Die fabelhafte Saison des FC Arsenal hält an. Mit zwei Siegen aus zwei schweren Auswärtsspielen hat die Mannschaft von Mikel Arteta nicht nur souverän auf die 1:3-Niederlage gegen Manchester City reagiert, sondern die zwei Punkte Vorsprung an der Tabellenspitze gehalten.

Zur Tabelle der Premier League

Das 1:0 über Leicester am Samstag war ein weiterer Beweis für die besondere Mentalität und Resilienz der Gunners in dieser Spielzeit. Noch beeindruckender wird es, wenn man bedenkt, dass es sich hierbei um das jüngste Team der Premier League handelt. Von mangelnder Erfahrung, Naivität oder etwa fehlender Disziplin und Routine ist jedoch keine Spur zu sehen.

Stattdessen sind die Young Guns das Erfolgsgeheimnis dieses unvorhersehbaren Pushs auf die Meisterschaft: Gabriel Martinellis Treffer gegen Leicester war in dieser Saison bereits das 20. Tor eines Spielers unter 21 – Platz zwei in dieser Kategorie ist Nottingham Forest mit acht. Die Statistik ist sinnbildlich für den Erfolg, denn in allen Bereichen wachsen Youngster zu Stars heran: Martinelli (21) und Saka (21) in der Offensive, Ödegaard (24) im Mittelfeld und William Saliba (21) in der Defensive.

„Historische (Debüt)saison“-Award: Erling Haaland

Was sich lange anbahnte, ist bereits im Februar offiziell: Erling Haaland absolviert eine historische Saison für Manchester City.

Beim ungefährdeten 4:1-Auswärtssieg über den AFC Bournemouth am Samstagabend, erzielte der Norweger seinen 27. Saisontreffer. Damit hat Haaland bereits in seiner Debütsaison die bisherige Premier-League-Bestmarke eines City-Spielers von Sergio Agüero (26) übertroffen. Und das bei 13 verbleibenden Spielen. Die torreichste Erstligasaison eines Cityzens – die Premier League gibt es erst seit 1992 – ist in Reichweite. Francis Lee traf 1971/72 33-mal.

Es bleibt ein Rätsel, wieso an einigen Stellen immer noch darüber diskutiert wird, ob Haaland Manchester City besser macht. Wenn überhaupt, ist der einzige Kritikpunkt, dass seine Mitspieler ihn nach langer Zeit ohne echten Knipser, nicht oft genug in Szene setzen. Und das bei der Ausbeute.

„Kein Popcorn“-Award: FC Liverpool

Die Amtszeit von Jürgen Klopp beim FC Liverpool seit seiner Ankunft im Oktober 2015 glich einer einzigen Vollgasveranstaltung. Der deutsche Trainer infizierte den gesamten Klub mit Enthusiasmus wie Kompetenz und hievte ihn mit der Hilfe einer cleveren Rekrutierung zurück in die nationale Elite.

Die Reds klettern mit einem unglaublich mitreißenden Fußball nach oben, spielten ab seiner ersten vollen Saison jedes Jahr in der Champions League und begannen nicht nur regelmäßig um die größten Titel des Klubfußballs zu spielen, sondern gewannen sie auch – die Champions League 2018/2019 sowie die Premier League und Klub-WM 2019/2020. Großes Entertainment, filmreife Leistungen.

Die Saison 2022/2023 dagegen wird nicht „in die Geschichtsbücher eingehen“, wie es Klopp am Samstag nach dem enttäuschenden 0:0 gegen ein formschwaches Crystal Palace formulierte. Über die Gründe haben wir bereits gesprochen. Fakt ist, die Königsklasse ist neun Punkte entfernt, wichtige Einnahmen, um den Kader zu verstärken, drohen auszubleiben. Es ist eine Saison zum Vergessen. „Es wird keine großen Filme darüber geben, aber da müssen wir durch“, so Klopp. Ganz ohne Popcorn.

„Neuer-Trainer-Effekt“-Award: Leeds United

Was haben Sean Dyche, Ruben Selles und nun Javi Gracia alle gemeinsam? Sie alle gewannen ihren Trainereinstand bei einem Abstiegskandidaten.

Nachdem Dyche mit Everton den FC Arsenal und Selles mit Southampton den FC Chelsea bezwang, hatte Gracia zu seinem ersten Spiel mit Leeds United den vermeintlich leichteren Gegner, allerdings eine deutlich brenzligere Situation vor der Brust. Leeds United musste im Sechspunkte-Spiel im Abstiegskampf prompt gegen Southampton ran. In einem engen Abstiegsfight setzten sich die Whites knapp mit 1:0 durch und verließen somit die Abstiegsränge.

Man kann lange darüber diskutieren, ob der „Neuer-Trainer-Effekt“ echt ist. Darüber, ob die Spieler den Weckruf brauchten, womöglich ein schlechtes Gewissen haben, oder schlichtweg neue Impulse benötigten. Fakt ist, in allen drei Fällen folgten prompt Resultate.

Im Falle von Leeds United musste Gracia gar nicht viel verändern. Er hatte auch keine Zeit dazu. Die Whites traten wie schon unter den Vorgängern Jesse Marsch und Marcelo Bielsa gewohnt direkt und intensiv auf, überzeugten zudem durch einen hohen Einsatz. Betrachtet man sich den gut bestückten Kader und die Erfahrung des Trainers (145 Spiele in La Liga, 57 in der Premier League), so scheint er im Vergleich zu seinen neu eingestellten Trainerkollegen die besten Voraussetzungen auf den Klassenerhalt zu haben.

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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