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Blick über den Tellerrand | Blamables Ajax auf allen Ebenen, Rangers und Celtic liefern denkwürdigen Old Firm

9. April 2024 | Spotlight | BY Yannick Lassmann

Die Berichterstattung über den internationalen Fußball dreht sich hauptsächlich um die führenden fünf europäischen Ligen und ihre Topklubs. Doch auch dahinter wird attraktiver Fußball geboten, auf den wir regelmäßig im „Blick über den Tellerrand“ ein genaueres Auge werfen. Unser Blick richtet sich dabei auf die deutschen Nachbarländer Niederlande, Belgien, Österreich und die Schweiz sowie Portugal und Schottland, die in der UEFA-Fünfjahreswertung starke Positionen einnehmen. In dieser Ausgabe beschäftigen wir uns mit gleich drei brisanten Derbys und den dort beteiligten Klubs: Benfica-Sporting, Feyenoord-Ajax und Rangers-Celtic.

Primeira Liga: Sporting vor dem Titel, Schmidt vor dem Aus?

Die vergangene Woche stand in Portugal – und vor allem in Lissabon – unter dem Zeichen gleich zweier Stadtderby zwischen Sporting und Benfica. Den Anfang machte das dienstägliche Aufeinandertreffen im Estádio da Luz. Das Halbfinalrückspiel im Taca de Portugal hatte es in sich. Benfica musste angetrieben von fast 60.000 Anhängern einen 1:2-Rückstand aufholen und stellte im ersten Abschnitt die aktivere Mannschaft, ohne sich zu belohnen.



Nach der Pause nahm das Geschehen gewaltig an Fahrt auf. Denn es fielen vier Tore binnen 17 Minuten. Die Gäste legten gleich zweimal vor, Benfica glich jeweils aus. Die Schlussoffensive zahlte sich nicht mehr aus, sodass Sporting das für den 26. Mai terminierte Endspiel erreichte. Dort wartet der Sieger aus dem zweiten Halbfinale zwischen Vitoria Guimaraes und dem FC Porto (Hinspiel: 0:1). Der FC Porto könnte dort eine titellose Saison verhindern, während für Sporting realistische Chancen auf das Double bestehen.

Die Weichen in Richtung Meisterschaft stellte Geny Catamo (23), der mit einem sensationellen Dropkicktreffer in der Nachspielzeit die Ligaauflage des Derby de Lisboa entschied. In einer über weite Strecken ausgeglichenen Partie mit etwas mehr Feldanteilen für Benfica gewann Sporting mit 2:1 und distanzierte den Stadtrivalen auf vier Zähler. Angesichts des Restprogramms, das zwar noch das Auswärtsspiel in Porto beinhaltet, dürfte den auf nationaler Ebene seit zwölf Pflichtspielen ungeschlagenen Leões die 20. Meisterschaft nicht mehr zu nehmen sein.

Wie sich der anbahnende Titel auf die Zukunft von Rúben Amorim (39) auswirkt, bleibt abzuwarten. Der 2020 für rund zehn Millionen Euro Ablöse aus Braga losgeeiste Coach hatte jüngst angekündigt, Sporting zu verlassen, falls in dieser Saison keine Silberware eingesammelt wird. Sein Name fällt auch immer wieder in Zusammenhang mit der Nachfolge von Jürgen Klopp (56) beim FC Liverpool. Sollte sich die Tür für Amorim öffnen, dürfte er, angesichts der sich bietenden Gelegenheit einen der bedeutendsten Klubs der Welt zu trainieren, wohl auch hindurchgehen.

(Photo by PATRICIA DE MELO MOREIRA/AFP via Getty Images)

Vor einem Jahr wäre wohl auch Roger Schmidt (57) noch mit einem solch prestigeträchtigen Job in Verbindung gebracht worden. Doch mittlerweile ist fraglich, ob er über den Sommer hinaus weiter für Benfica arbeitet. Zu durchwachsen war die Saison besonders innerhalb Portugals, wo vor allem die direkten Duelle mit Porto (0:5-Niederlage auswärts!) und Sporting sehr ernüchternd verliefen.

Schmidt formte zwar – wie vom Klub erwünscht – die Nachwuchstalente Antonio Silva (20) und Joao Neves (19) zu Stammspielern, schaffte es aber nicht, den nach rund 100 Millionen Euro Transferausgaben verbreiterten Kader ideal zu nutzen. Auch am Samstag wechselte er bis in die Nachspielzeit hinein nur einmal, obwohl seine Mannschaft kräftemäßig angeschlagen wirkte. Der noch bis 2026 gebundene Trainer begründete den langen Verzicht auf Wechsel mit der „sehr guten Leistung“ seiner Mannschaft. Das Ergebnis widersprach aber letztlich seinen Maßnahmen. Umso willkommener scheint für Benfica das anstehende Europa-League-Viertelfinale gegen Marseille. Ein tiefer Run würde das Ansehen von Schmidt wieder deutlich steigen lassen.

Eredivisie: Desaströses Ajax – auf und neben dem Platz

Sehr regelmäßig hatten verschiedenste Medien in der laufenden Saison Anlass, vom „Tiefpunkt“ in Verbindung mit Ajax zu schreiben. Der Spielabbruch im „De Klassieker“ bei der 0:4-Heimniederlage gegen Feyenoord, die anschließende Entlassung von Sven Mislintat (51), der übrigens am gestrigen Montag von externen Wirtschaftsprüfern bezüglich justiziabler Vergehen bei Transfers entlastet wurde, die wenig später folgende Trennung vom überforderten Trainer Maurice Steijn (50), der zwischenzeitliche Absturz ans Tabellenende der Eredivisie, das Pokalaus beim Viertligisten USV Hercules: Alleine einer dieser Vorfälle würde in Erinnerung bleiben, doch all dies geschah im zweiten Halbjahr von 2023.

Unter dem zum Saisonende scheidenden Interimscoach John van’t Schip (60) trat leichte Besserung ein. Ajax befindet sich zumindest auf Europapokal-Kurs. Mitte März stieß Alex Kroes (49) als Geschäftsführer aus Alkmaar dazu. Er sollte den niederländischen Rekordmeister zurück zu alter Stärke führen, ist aber seit dem 2. April schon wieder Geschichte. Der Klub gab die sofortige Trennung bekannt, da Kroes eine Woche vor seinem Feststehen seines Wechsels 17.000 Ajax-Aktien gekauft habe. Dies ist Insiderhandel und gilt als Straftat. Jener Kroes hatte übrigens Mislintat als „Betrüger“ bezeichnet.

Abgerundet wurde eine wieder einmal chaotische Ajax-Woche mit einem katastrophalen Auftritt im Rückspiel von „De Klassiker“. Es kam für die auf Rang sechs stehenden Amsterdamer noch schlimmer als im Hinspiel. Wohl selten war eine Ajax-Mannschaft Feyenoord dermaßen unterlegen. Sie unterlag nach 90 höchst einseitigen Minuten – bei einem Torschussverhältnis von sage und schreibe 1:30 – mit 0:6. Das spielerisch brillierende Feyenoord hätte auch noch deutlicher gewinnen können.

 

 

Abzuwarten bleibt, welche Auswirkungen das historische Debakel auf Ajax hat. Trainer van’t Schip, dessen defensive Herangehensweise von vielen Beobachtern kritisch betrachtet wird, geht ohnehin zum Saisonende. Die Nachfolgersuche gestaltet sich im Hinblick auf die sportliche Situation schwierig. Der gehandelte Graham Potter (48), zuletzt bei Chelsea tätig, sagte nun ebenfalls ab. Ein gestandener Coach dürfte nur schwer zu bekommen sein, denn finanzieller Spielraum besteht aufgrund des erneuten Verpassens der Champions League sowie der wohl nicht allzu hoch ausfallenden Transfererlöse kaum.

So wächst die Sorge bei den Ajax-Anhängern, dass erneut eine Notfallösung wie Stein präsentiert wird, die der Aufgabe letztlich nicht gewachsen ist. Die sportliche Perspektive scheint zur neuen Saison wenig vielversprechend. Der designierte Meister Eindhoven und Feyenoord sind enteilt. Zudem könnte Amsterdam sogar vollständig das europäische Geschäft verfehlen. Die Entscheidung darüber fällt erst in den Playoffs zur Conference League, die ohnehin nicht mehr als einen Trostpreis darstellt.

Premiership: Spekatakel im Old Firm: Vorteil Rangers!

In der Vorwoche stellte der anstehende Old Firm einen wichtigen Teil unserer Berichterstattung dar. Die historischen Gräben, die sportliche Historie, die emotionale Geschichte und die aktuelle Situation wurden ausführlich beleuchtet. Die Vorfreude auf das 439. Old Firm zahlte sich aus, denn die Rangers und Celtic lieferten vor fast 51.000 Fans im rappelvollen Ibrox Park ein wahres Spektakel, das zwar 3:3 endete, aber mit den Hausherren dennoch einen (zumindest gefühlten) Gewinner fand.

Der erste Abschnitt gehörte eindeutig Celtic, das nach nicht einmal 60 Sekunden durch Daizen Maeda (26) infolge eines Presschlags in Führung ging. Matt O’Riley (23) erhöhte der Handelfmeter nach einem VAR-Einsatz auf 0:2. Der VAR blieb fester Bestandteil der Partie, da Schiedsrichter John Beaton (42) bei der Beurteilung von Zweikämpfen keine gute Figur abgab. Nach der Pause kam der VAR gleich zweimal zum Zug, ermöglichte den Rangers erst den Anschlusstreffer durch einen gewohnt sicher verwandelten Foulelfmeter von James Tavernier (32), erkannte ihnen aber wenig später den schon umjubelten Ausgleich ab.

(Photo by Stu Forster/Getty Images)

So entwickelte sich eine dramatische Schlussphase, in der die Gers in der 86. Minute durch Abdallah Sima zum 2:2 kamen, um direkt wieder die kalte Dusche zu kassieren. Adam Idah (23) erwischte Keeper Jack Butland (31) auf dem falschen Fuß und traf ins kurze Eck – 2:3. Jubeln durfte Celtic aber trotzdem nicht. In der Nachspielzeit belohnte der Ex-Schalker Rabbi Matondo (23) die beeindruckende Moral der Rangers und traf mit einem sehenswerten Schlenzer zum 3:3. Die sich unter dem im Oktober installierten Philippe Clement (50) nicht nur spielerisch hervorragend entwickelnden, sondern auch immer widerstandsfähigeren Rangers bleiben somit leicht in der Pole-Position. Ihnen steht jedoch in der Meisterrunde noch ein Old Firm bei Celtic bevor. Auch dieser dürfte es in sich haben.

(Photo by PIETER STAM DE JONGE/ANP/AFP via Getty Images)

Yannick Lassmann

Rafael van der Vaart begeisterte ihn für den HSV. Durchlebte wenig Höhen sowie zahlreiche Tiefen mit seinem Verein und lernte den internationalen Fußball lieben. Dem VAR steht er mit tiefer Abneigung gegenüber. Seit 2021 bei 90Plus.


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