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Premier League: Haaland wird ein Erfolg – was ManUnited von Brighton lernen muss

8. August 2022 | Spotlight | BY Chris McCarthy

Erling Haaland hatte einen Traumeinstand. Trainer Erik ten Hag erlebte bei Manchester United das Gegenteil und der FC Liverpool hat frühe Sorgen. Das und mehr haben wir in den Erkenntnissen des ersten Spieltags der Premier League aufgearbeitet. 

Erling Haaland wird die Premier League erobern

35. Minute. Ilkay Gündogan treibt den Ball in Richtung West Ham Uniteds Sechzehner. Plötzlich startet Erling Haaland durch, bringt seine ganze auf 1,94 Meter verteilte Wucht blitzartig in Bewegung, der Zopf fliegt hinterher. Der Norweger hatte den perfekten Moment gefunden, die Abwehr der Hammers zu hinterlaufen, nimmt Gündogans Pass in Empfang, umkurvt den Keeper und geht zu Boden: Elfmeter. Haaland verwandelt souverän, feiert mit seinem patentierten Yoga-Jubel.



Der Neuzugang von Borussia Dortmund sitzt im Schneidersitz auf dem Rasen, formt die Hände als würde er meditieren. Er wirkt gelassen. Irgendwie ist es symbolisch, denn auch der 22-Jährige scheint keinen Zweifel daran gehabt zu haben, dass er in der Premier League ein voller Erfolg werden würde.

Dabei gab es nicht wenige, die seinen (verhältnismäßig günstigen) 60-Millionen-Euro-Wechsel zu Manchester City kritisch beäugten. Pep Guardiola könne nicht mit Strafraumstürmern, hieß es. Haaland, einer der komplettesten und in seiner Kombination aus Schnelligkeit, Physis, Dynamik und Abschlussstärke regelrecht einzigartigsten Angreifer der Welt, passe nicht zum Spielstil des Meisters. Das sind nur einige der Kritikpunkte. In der 65. Minute fragten man sich woher sie stammten. Missgunst, Polarisation? Jedenfalls startete der Norweger erneut ansatzlos durch, diesmal auf Höhe der Mittellinie, übersprintete im Stile eines Olympioniken die kompletten Hintermannschaft des Gegners und verwandelte einen perfekten Schnittstellenpass von Kevin De Bruyne lässig mit dem ersten Ballkontakt aus zwölf Metern zum 2:0-Endstand flach ins lange Eck.

Ja, es war nur ein Spiel. Doch es zeigte so viel. Haaland gibt einer Mannschaft, die wohl die meisten Chancen Europas erspielt, drei Elemente, die bei all der spielerischen Dominanz und nationalen Erfolgen in den letzten Jahren immer wieder fehlten: Tiefe, Zielstrebigkeit und Vollstreckerqualitäten. Spielt sein Körper mit, besteht aus sportlicher Sicht kein Zweifel daran, dass er in der Premier League ein voller Erfolg wird und die ohnehin hohen Erwartungen erfüllen wird.

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Was Manchester United von Brighton lernen muss

Nach einem enttäuschenden sechsten Platz in der Vorsaison und der Erkenntnis, dass Manchester United auch im neunten Jahr nach dem Abschied von Sir Alex Ferguson (bestenfalls) auf der Stelle tritt, wurde (erneut) viel Hoffnung in den neuen Trainer gesteckt: Erik ten Hag ist der sechste in neun Jahren. Viel sollte sich ändern am Old Trafford. Die Spielweise. Die Mentalität. Die Ergebnisse.

Am ersten Spieltag war dennoch alles beim Alten. United verlor nach einem schwachen Auftritt zum Auftakt zu Hause mit 1:2 gegen Brighton & Hove Albion. Ein Klub, der zwar über einen Bruchteil des Etats, dafür aber über all das verfügt, was den Red Devils seit Jahren fehlt: Ein Plan, eine Strategie, wie immer man es nennen mag. Dazu gehört ein Trainer mit einer klaren Spielphilosophie und dafür kompatible wie entwicklungsfähige Spieler. Bei Brighton greift auf und abseits des Platzes ein Zahnrad ins andere, von der Rekrutierung bis auf den Platz, die Strategie ist jedem klar. Die kontinuierliche Entwicklung von einem Aufsteiger 2017 zu einem festen Bestandteil des Premier-League-Mittelfelds ist die logische Konsequenz.

Sicher, bei Manchester United sind die Ziele andere. Doch der Klub hat auch andere Mittel. Seit 2013 haben die Red Devils über 1,5 Milliarde Euro für neue Spieler verbrannt – der größte Betrag weltweit. Ohne Erfolg. Und nein, dazu gehört auch nicht der Europa-League-Titel. Der 20-malige Meister und dreifache Champions-League-Sieger hat größere Ansprüche.

Um wieder ein nationales und internationales Schwergewicht zu werden, wird Manchester United einiges vom vermeintlich unterlegenen Gegner aus Brighton lernen müssen. Mit Erik ten Hag, der anders als Ole Gunnar Solskjaer eine klare und nachhaltige Spielphilosophie verfolgt, ist ein Anfang gemacht. Doch das alleine reicht nicht, das erkannte bereits Ralf Rangnick während seiner kurzen Amtszeit: Alle Zahnräder müssen funktionieren, darunter auch die passenden Spieler, charakterlich wie sportlich. Und dazu braucht es Geduld, möglicherweise ein Jahr ohne europäische Einnahmen, denn so eine Entwicklung geschieht nicht über Nacht. Kompromisse, beispielsweise in Form von teuren Pflaster werden die Red Devils dabei nicht weit bringen. Das haben die letzten Jahre bewiesen.

Umso bedenklicher sind die Bemühungen um Marko Arnautovic und Adrien Rabiot

Erik ten Hag, neuer Trainer von Manchester United, steht an der Seitenlinie.

(Photo by Jan Kruger/Getty Images)

Liverpool hat ein frühes Problem

Ein 2:2 bei einem überraschend starken und spielfreudigen Aufsteiger kann am ersten Spieltag der Saison passieren. Auch dem FC Liverpool, Das ist nicht das Problem.

Etwas besorgniserregender ist die Tatsache, dass die Reds bereits am zweiten Spieltag einem Zwei-Punkte-Defizit auf  Vorjahresmeister Manchester City hinterherrennen. Zur Erinnerung: 2021/2022 wurde der Titel durch einen Punkt zugunsten der Skyblues entschieden. Doch auch das lässt sich theoretisch aufholen.

Zweifel dahingehend kommen aufgrund des größten Problems auf: die Verletztenliste. Acht Spieler standen Jürgen Klopp am Samstag nicht zur Verfügung. Insbesondere die Ausfälle von Diogo Jota, Naby Keita und Ibrahima Konate taten weh, dazu fehlten noch Kostas Tsimikas, Curtis Jones, Alex Oxlade-Chamberlain, Youngster Calvin Ramsay und Ersatzkeeper Caoimhin Kelleher. Gegen Fulham kam nun ein namhafter Patient dazu. Bei Thiago, der aufgrund einer muskulären Verletzung am Oberschenkel in der zweiten Halbzeit ausgewechselt werden musste, sieht es laut Klopp „nicht gut“ aus.

Die Saison 2022/2023 ist aufgrund der Winter-WM eine besonders anspruchsvolle. Der Spielplan ist bis Jahresende vollgepackt. Neben der Champions-League-Gruppenphase gilt es bis zum 14. November noch 15 weitere Ligapartien unterzubringen – in knapp einem Monat weniger als im Vorjahr. Das heißt: jeder Ausfall wiegt schwerer, erst recht wenn der Konkurrent Manchester City heißt.

Premier League: Die weiteren Erkenntnisse des Spieltags im Kurzpass

Bereits in der Vorbereitung forderte Thomas Tuchel weitere Neuzugänge. Und wenngleich der Ansatz des FC Chelsea seit der Übernahme durch Todd Boehly auf dem Transfermarkt etwas wild wirkt, der Trainer hat recht. Die Blues wirkten beim 1:0-Auswärtssieg über Everton nicht auf der Höhe, das Spiel nach vorne war trotz eines guten Auftritts von Debütant Raheem Sterling etwas stumpf. Sei es über Außen oder durch die Zentrale.

Stadtrivale Tottenham dagegen startete mit einem überzeugendem 4:1-Statement-Sieg gegen ein enttäuschend schwaches Southampton. Dabei starteten die Spurs ohne die Neuzugänge Ivan Perisic, Clément Lenglet und Yves Bissouma Bank) sowie Richarlison, Fraser Forster und Djed Spence (noch nicht im Kader). Die Erkenntnis: Die Spurs haben den wohl tiefsten Kader seit Jahren, ein Platz in den Top-Four der Premier League scheint auf dem Papier sicher.

Weiter unten in der Tabelle ist der Transfermarkt ebenfalls das heiße Thema: Leicester gab gegen Brentford eine 2:0-Führung aus den Händen, was die Stimmung in den East Midlands nicht verbessert hat: Die Transfer-Bemühungen der Foxes, in den letzten Jahren noch ein Konkurrent um die Top-Four, deuten auf eine schwierige Saison. Talent ist reichlich vorhanden, doch Brendan Rodgers gehen die etablierten Schlüsselspieler aus: Keeper Kasper Schmeichel (Nizza) ist weg, der beste Innenverteidiger Wesley Fofana, Mittelfeldstratege Youri Tielemans und Spielmacher James Maddison könnten noch gehen. Signifikante Verstärkungen werden benötigt.

Das gilt auch für die Wolverhampton Wanderers (im Experten-Panel ein Außenseiter-Tipp für den Abstieg), den FC Everton und Aufsteiger Bournemouth, der zwar überraschend 2:0 gegen Aston Villa gewann, aber in allen Mannschaftsteilen qualitative Fragezeichen hat. „Wir brauchen definitiv mehr Spieler“, gestand Trainer Scott Parker. Bis Ende des Monats ist noch Zeit.

(Photo by Julian Finney/Getty Images)

Chris McCarthy

Gründer und der Mann für die Insel. Bei Chris dreht sich alles um die Premier League. Wengerball im Herzen, Kick and Rush in den Genen.


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