Die Serie A startet in die Restsaison: Was bisher geschah

3. Januar 2023 | Trending | BY Yannick Lassmann

Zweieinhalb Wochen sind seit dem WM-Finale vergangen. Nun meldet sich auch die Serie A aus der Pause zurück. Als unangefochtener Spitzenreiter startet die SSC Napoli, während die durchwachsenen Verfolger eng beieinander liegen. Was bisher geschah.

Serie A: Napoli brilliert

Nach den Abgängen von Lorenzo Insigne, Kalidou Coulibaly, Dries Mertens und Fabián Ruiz, allesamt prägende Figuren der letzten Jahre, war von einer „schweren Saison“ für die SSC Napoli (41 Punkte) die Rede. Doch schon das Auftaktspiel widersprach dieser These. Äußerst spielfreudige Süditaliener gewannen bei Hellas Verona mit 5:2. Spätestens nach dem darauffolgenden 4:0-Erfolg über Monza war die Euphorie im Umfeld bereits wieder riesig. Die Remis bei der Fiorentina und gegen Lecce erwiesen sich nur als kurzzeitige Dämpfer, denn es folgte eine nahezu unheimliche Serie von elf Ligasiegen am Stück.

Das auch in der Champions League glänzende Napoli gewann allerdings nicht nur seine Spiele, sondern bot auch begeisternden Fußball. Den auf Ballbesitz beruhenden Ansatz von Trainer Luciano Spalletti setzte der Kader nahezu perfekt um. Min-Jae Kim ersetzte Abwehrchef Koulibaly eindrucksvoll, sodass in der Defensive Stabilität gewahrt wurde. Im Mittelfeld ziehen Stanislav Lobotka, der zur Hochform auflaufende Piotr Zielinski und André Zambo Anguissa die Fäden.

 

Hinzu kommt ein unberechenbares Angriffstrio, angeführt von Khvicha Kvaratskhelia, der Entdeckung der laufenden Serie-A-Spielzeit. Sechs Tore und sieben Vorlagen steuerte bei. Seine herausragenden Qualitäten am Ball erinnern die Fans an Vereinsikone Diego Armando Maradona, weshalb der Spitzname „Kvaradona“ die logische Konsequenz war. Zum besten Torschützen avancierte Victor Osimhen, dem neun der 37 Treffer gelangen. Insgesamt netzten schon 13 verschiedene Akteure ein, was die Ausgeglichenheit des Kaders unterstreicht – und bei stets zur Verfügung stehenden Leistungsträgern zum ersten Scudetto seit 1990 führen könnte.

Enges Rennen um die Top-Vier

Als ärgster Napoli-Verfolger fungiert mit bereits acht Punkten Rückstand die AC Milan (33). Dabei hielt der amtierende Meister in etwa seinen Punkteschnitt von 2,2 – ein Fakt, der aufzeigt wie herausragend das Auftreten der Gli Azzurri bisher ausfiel. Die Rossoneri legt eine sehr stabiles Halbjahr hin, verlor erst eine Serie-A-Partie – und zwar, unglücklich mit 1:2 gegen Napoli. Besonders erinnerungswürdig bleibt der nächste Derbysieg. Beim mitreißenden 3:2 über Inter bog die Mannschaft von Stefano Pioli einen Rückstand um, wobei Topscorer Rafael Leao per Doppelpack den Unterschied ausmachte.

Bei Juventus (31) hielt sich die Anzahl der begeisternden Spiele dagegen doch sehr in Grenzen. Insbesondere anfangs der Saison herrschte Totenstimmung in Turin. Lediglich zwei Siege sprangen aus sieben Spielen heraus. Das 0:1 beim bis dato sieglosen Aufsteiger Monza stellte den negativen Höhepunkt dar. Der nicht besonders ideenreich agierende Trainer Massimiliano Allegri stand auf der Kippe lieferte zumindest ergebnistechnisch – die Champions-League-Blamagen gegen Haifa und Benfica ausgenommen – ab, gewann sieben der verbleibenden acht Begegnungen, kassierte seit dem 9. Oktober in der Serie A kein Gegentor mehr und liegt trotz aller Unruhen auf Rang drei. Beruhigung trat auch in der WM-Pause nicht ein, denn die Ermittlungen aufgrund von Bilanzfälschung führten zum Rücktritt des gesamten Präsidiums um Andrea Agnelli.

Bilanzfälschung, Chaos – Zwangsabstieg? Fragen und Antworten zum Juventus-Beben

Einen Zähler hinter Juventus lauern Lazio (30) und Inter (30). Die Gefühlslagen sehen allerdings ganz unterschiedlich aus. Die Römer erfreuen sich daran, um die Champions-League-Ränge konkurrieren zu können. Obwohl Coach Maurizio Sarri den Ruf als Offensivfanatiker besitzt, sind die Stärken in der Defensive hervorzuheben. Der im Sommer aus Spezia gekommene Schlussmann Ivan Provedel verbuchte beachtliche neun Zu-Null-Spiele. Dazu gehört auch das stets brisante Stadtderby gegen die AS Roma, das die Laziali unter großem Jubel durch einen Treffer von Felipe Anderson gewann.

Im Derby als Verlierer verließ dagegen Inter das Spielfeld. Ohnehin ist die Stimmung nicht sonderlich gut. Nach der unglücklich verpassten Scudetto in der Vorsaison sollte nach der Rückkehr von Romelu Lukaku – dem herausragenden Akteur im Meisterjahr 2020/21 – wieder die Spitze angepeilt werden. Allerdings verlor die offensivstarke Nerazzurri schon fünf Ligapartien, gab in den Vergleichen mit der direkten Konkurrenten aus Rom und Turin kein gutes Bild ab. Daher stellten sich auch schon Fragen nach Trainer Simone Inzaghi, der unter Druck in die Rückserie starten wird, wo mit der SSC Napoli direkt ein Hochkaräter – und womöglich die nächste Niederlage – wartet.

Serie A: Atalanta erfindet sich neu, ernüchterte Roma

Ebenfalls in Reichweite der Champions League befindet sich Atalanta (27). Die Erfolgsgeschichte schien auserzählt, nachdem erstmals seit fünf Jahren keine Europapokalteilnahme heraussprang. Eine abermals kluge Transferpolitik, die den Bergamasci unter anderem den schon sieben Tore erzielenden Ademola Lookman brachte sowie eine Abkehr vom vollends offensiven Ansatz durch Trainer Gian Piero Gasperini sorgten zu Saisonbeginn für zehn ungeschlagene Partien am Stück. Dann ging Atalanta etwas die Luft aus. Zum Jahresausklang gab es drei Niederlagen am Stück, auch gegen direkte Konkurrenten wie Lazio oder Inter.

Bei der AS Roma (27) setzten sich die Mannen aus der Lombardei hingegen mit 1:0 durch. Es war nicht der einzige Rückschlag für die nach der Verpflichtung von Paulo Dybala mit unheimlicher Euphorie in die Saison gestartete Giallorossi. Der Hoffnungsträger überzeugte durchaus, aber fiel ab dem neunten Spieltag verletzungsbedingt aus. Ohne Dybala haperte es offensiv doch sehr. Lediglich 18 Tore gelangen der Mannschaft von Jose Mourinho, dem eine fehlende Spielidee unterstellt wird. Mehr als der alles andere als zufriedenstellende Platz sieben war unter diesen Voraussetzungen wohl nicht drin. Die Rückkehr von Dybala soll nun für den ersehnten Sprung in die europäische Königsklasse sorgen.

Serie A: Die AS Roma kam noch nicht in Fahrt.

(Photo by ALBERTO PIZZOLI/AFP via Getty Images)

Ebenfalls mit dem internationalen Geschäft in Verbindung gebracht werden darf Udinese Calcio (24). Eine Siegesserie von sechs Spielen am Stück, darunter begeisternde Heimerfolge über die Roma (4:0) und Inter (3:1), beförderte I Friulani zwischenzeitlich sogar auf die Champions-League-Ränge. Danach verlor die stets mutig agierende Auswahl von Trainer Andrea Sottil, der seit Sommer erstmals in der Serie A coacht, ihre Form, blieb sieben Begegnungen hintereinander sieglos. Doch auch zu diesem Zeitpunkt lohnte es sich, die Auftritte zu verfolgen. Gegentreffer spielen nämlich nur eine untergeordnete Rolle. Gleich 15 Punkte – mit Abstand Bestwert in der Serie A – holte Udinese Calcio nach einem Rückstand.

Ein breit gefächertes Mittelfeld

Ab Platz neun, wo sich aktuell Torino (21) befindet, darf vom gesicherten Mittelfeld gesprochen werden. Dies ist in der laufenden Spielzeit sehr breit gefächert, denn der Abstand zu Platz 16 beträgt lediglich sechs Zähler. Mittendrin liegt die Fiorentina (19), die sich nach der starken Vorsaison wohl mehr ausgerechnet hatte, nach einem schwachen Start besser in Fahrt kam, sich aber immer wieder selbst aufhielt, wie etwa bei der dramatischen 3:4-Niederlage gegen Inter. Ebenso 19 Zähler sammelte der FC Bologna ein, der sich schon kurz nach Saisonbeginn vom jüngst an Krebs verstorbenen Trainer Sinisa Mihajlovic trennte. Die Resultate steigerten sich unter der Leitung von Thiago Motta. Marco Arnautovic konnte allerdings nicht an seinen fulminanten Auftakt anknüpfen und steuerte nur noch zwei Tore in neun Spielen bei, grüßt mit acht Treffern aber von Rang zwei der Torschützenliste.

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Ebenfalls sorgenfrei ins neue Kalenderjahr gehen die über 30 Millionen Euro in den Kader investierende US Salernitana (17), Empoli (17), Monza (16), Sassuolo Calcio (16) und Lecce (15), die mit einem Durchschnittsalter von 24,0 jüngste Truppe der Serie A. An diesem Fakt erfreuen sich besonders die beiden Aufsteiger aus Monza und Lecce, wobei erstgenannter mit höheren Ambitionen ausgestattet ist. Dementsprechend trennte sich die Eigentümerschaft um den legendären Silvio Berlusconi (86) schon nach sechs Spieltagen von Aufstiegscoach Giovanni Stroppa (54). U19-Trainer Raffaele Palladino (38) übernahm, startete mit einem überraschenden 1:0-Erfolg über Juventus und führte die sich auch gegen Spitzenmannschaften nicht versteckende, teils sogar auf mehr Ballbesitz kommende AC auf Rang 14.

Serie A: Drei klare Absteiger?

Spezia Calcio (13) könnte ebenfalls dem Mittelfeld zugeordnet werden. Allerdings belegt es Rang 17, den letzten Nichtabstiegsplatz. Die Punkte wurden nahezu allesamt gegen Mannschaften aus der unteren Tabellenhälfte geholt. Big Points holte Spezia kurz vor der WM-Pause mit dem 2:1-Erfolg bei Hellas Verona (5), das somit distanziert wurde. Den Unterschied stellte wieder einmal M’Bala Nzola, der schon siebenmal einnetzte und damit für die Hälfte der Saisontore der gesamten Mannschaft verantwortlich war.

Ein Torjäger fehlt den Mannschaften von Cremonese (7), Sampdoria (6), Hellas Verona (5). Ergebnistechnisch spielen alle Teams eine fast schon desaströse Saison. Am ehesten zu erwarten waren die fehlenden Resultate bei der US Cremonese. Der Aufsteiger hielt oftmals gut mit, was sieben Unentschieden, unter anderem gegen Atalanta (1:1) und AC Milan (0:0) beweisen. Allerdings sprang nicht ein einziger Sieg heraus. Die Trendwende muss im Januar dringend erfolgen, sonst ist der Zug in Richtung Klassenerhalt wohl abgefahren.

Serie A: Cremonese und Sampdoria gelten als heiße Abstiegskandidaten.

(Photo by Marco Luzzani/Getty Images)

Selbiges gilt für Sampdoria, das unter noch schwierigeren Voraussetzungen in die Rückserie geht. Der Traditionsklub vollbrachte das Kunststück, in 15 Ligaspielen ganze sechs Tore zu erzielen. Auch der 39-jährige Altmeister Fabio Quagliarella konnte keine nennenswerten Akzente setzen. Zudem verpuffte mittlerweile der Trainerwechsel von Marco Giampaolo zu Dejan Stankovic, der nach vier Punkten aus drei Spielen zu Beginn vier Niederlagen am Stück einstecken musste, wobei seine Schützlinge nicht einmal den Ball ins gegnerische Tor beförderten.

Schon zweimal griff Hellas Verona zum Austausch des Übungsleiters. Dies ist einerseits nachvollziehbar angesichts der miserablen Ergebnisse, andererseits dürften bei sagenhaften zehn Pleiten hintereinander (!) bis zur WM-Pause die Zweifel an der Mannschaft immer größer werden. Zur Rückserie übernimmt mit Marco Zaffaroni ein Serie-A-Neuling. Er soll den nur noch schwer erreichbaren Klassenerhalt schaffen. Neuzugänge wurden ihm noch nicht zur Verfügung gestellt, dafür warten mit Torino und Cremonsese zum Auftakt nicht die schwierigsten Gegner, aber wegweisende Partien, die schon Klarheit über den weiteren Saisonverlauf – und möglicherweise frühzeitig feststehende Absteiger – bringen könnte.

(Photo by Francesco Pecoraro/Getty Images)

Yannick Lassmann

Rafael van der Vaart begeisterte ihn für den HSV. Durchlebte wenig Höhen sowie zahlreiche Tiefen mit seinem Verein und lernte den internationalen Fußball lieben. Dem VAR steht er mit tiefer Abneigung gegenüber. Seit 2021 bei 90Plus.


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